Ostfriesland: Prinz hat alle angeschmiert
Ostfriesland, 10.10.2006
Der Prinz hat sie „alle angeschmiert“
Von Petra Herterich
JUSTIZ Viktor Emanuel von Savoyen gab nach 28 Jahren tödliche Schüsse auf Dirk Hamer zu
Der Schütze wurde abgehört, als er im Gefängnis plauderte. Der Vater des Opfers, der in Leer aufgewachsene Ryke Geerd Hamer, glaubt nicht, dass der Prozess nun wieder aufgerollt wird.
Leer/Potenza - Vor 28 Jahren starb der deutsche Student Dirk Hamer. Er starb an den Folgen einer Schussverletzung in den Armen seines Vaters Ryke Geerd Hamer, der seine Jugend in Leer verbracht hat und dessen Brüder zum Teil noch immer in Ostfriesland leben. Der Todesschütze kam mit einer Verurteilung wegen unerlaubten Waffenbesitzes davon. Es handelt sich um Viktor Emanuel von Savoyen, den Sohn des letzten italienischen Königs.
Seine Hoheit hat jetzt, 28 Jahre nach der Tat, zugegeben, dass er damals die Justiz komplett zum Narren gehalten hat (OZ berichtete). Für den Vater des Toten ist dieses Geständnis späte Genugtuung, aber keine Gerechtigkeit. „Mir war ja immer klar, dass er auf meinen Sohn geschossen hat, aber das Gericht hat sich damals ausdrücklich bemüht, keinen Täter zu finden“, so Ryke Geerd Hamer im Gespräch mit der OZ.
Der 71-Jährige, der in Spanien lebt, kam als „Wunderheiler“ im Zusammenhang mit dem Schicksal der an Krebs erkrankten kleinen Olivia Pilhar im Sommer 1995 zu zweifelhaftem Ruhm, weil er das Kind gemeinsam mit den Eltern der medizinischen Versorgung entzogen hatte. Er glaubt nicht, dass der Prozess gegen den alternden Prinzen neu aufgerollt wird. „Wer sollte dafür zuständig sein? Der Mann wird ja auch bald 70. Gerechtigkeit ist, wenn man sofort verurteilt wird. Nach fast 30 Jahren wird man der Tat nicht mehr gerecht“, findet Hamer.
Schuldbewusst ist der Prinz aber wohl noch immer nicht. „Ich hatte zwar unrecht, aber ich muss sagen, ich habe sie alle angeschmiert“, soll der jüngst wegen Korruption inhaftierte Adelige einem Mitgefangenen erzählt haben. Was er nicht wusste: Seine Zelle im Gefängnis im süditalienischen Potenza wurde abgehört.
Die Schüsse fielen im August 1978 im Hafen der kleinen Insel Cavallo im Süden von Korsika. Viktor Emanuel soll sich bei einem Streit auf seinem Boot dermaßen erregt haben, dass er zum Gewehr griff und wild um sich ballerte. Eine Kugel durchschlug den Rumpf eines anderen Schiffs und traf den dort schlafenden Dirk Hamer in den Bauch. „Es gab 20 Zeugen. Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jahre und sechs Monate für mich gefordert. Aber ich war mir sicher, dass ich gewinne, mehr als sicher“, plauderte der Prinz jetzt in seiner Zelle aus.
Für den Vater des Opfers war der Prozess damals „im Grunde das Ende der Justiz“. Die Theorien der Verteidiger, denen die Richter folgten, seien geradezu „phantomatös“ gewesen. „Das ging nach dem Motto: Da hätte auch einer aus dem Wasser auftauchen, schießen und wieder abtauchen können. Es hätte auch einer vom Mond schießen können : nur eben der Prinz nicht.“ Doch genau der war es, wie er jetzt selber zugab.
Dirk Hamer starb am 7. Dezember 1978. Er war 19 Jahre alt. Für seinen Vater war es „die schwärzeste Stunde meines Lebens“, schrieb er später in einem seiner Bücher: „Nichts vorher und nichts nachher war so grauenhaft, so unsagbar vernichtend wie diese Stunde.“
Historische Anmerkung von H. Pilhar (nicht mehr veröffentlicht auf seiner Webseite):
Erlauben Sie sich einmal, verehrter Leser, beim Nachbarn ein paar Eier zu stehlen! Was glauben Sie, was man mit Ihnen machen wird?
Hier werden 20 Personen Zeugen eines Mordes, und der Täter weiß bereits im Voraus, dass er straffrei gehen wird und geht auch tatsächlich straffrei. Und das unter den Augen der Weltöffentlichkeit (die Presse war damals voll mit Berichten).
Wir leben ja nicht in Timbuktu! Woran mag diese Ungleichbehandlung in einem sog. Rechtsstaat liegen?