Kölner Stadtanzeiger: ...Krebstherapie?
Kölner Stadtanzeiger, 04.01.2006
Heilpraktiker mit abstruser Krebstherapie?
DETLEF SCHMALENBERG
Der Mann soll Eltern empfohlen haben, ihr an Krebs erkranktes Kind nach den fragwürdigen Methoden des „Wunderheilers“ Hamer behandeln zu lassen.
Die Kleine, die unter bösartigem Knochenkrebs leidet, brauche keine Chemotherapie oder eine Operation. Und überhaupt: Die Mittel der Schulmedizin seien überflüssig. Diesen abstrusen Rat soll ein Kölner Heilpraktiker den Eltern eines schwer krebskranken Kindes gegeben haben, die ihn um Hilfe gebeten hatten. Damit die Eltern die Chemotherapie ohne lästige Nachfragen anderer Mediziner vermeiden könnten, habe der Heilpraktiker einen befreundeten Radiologen angerufen. Ob der denn nicht neue Röntgenbilder machen und dann eine falsche Diagnose stellen könne? Statt Knochenkrebs etwas Harmloses wie Arthrose oder so?
Der Radiologe habe offensichtlich eingewilligt, Bilder und Befund zu fälschen, gaben die Eltern schließlich zu Protokoll. Jetzt ermittelt die Kölner Staatsanwalt, wie Behördensprecher Günther Feld bestätigte. Denn der Heilpraktiker ist mit seinen angeblichen Vorschlägen an die Falschen geraten. Die vermeintlichen Eltern waren in Wirklichkeit TV-Journalisten, die eine Recherche über das Netzwerk des umstrittenen und in Frankreich inhaftierten „Wunderheilers“ Ryke Geerd Hamer durchführten. Um die Anhänger der von Hamer propagierten „Neuen Medizin“ auf die Probe zu stellen, hatten sich die Journalisten die Röntgenaufnahmen des zehnjährigen Mädchens besorgt.
Auf den Kölner Heilpraktiker sollen die Rechercheure durch eine in der Schweiz lebende Hamer-Jüngerin aufmerksam gemacht worden sein. Die Frau habe zudem geraten, das krebskranke Kind vor der Schulmedizin zu verstecken. Als Therapie würden Quarkwickel ausreichen. Dem Mädchen müsse nur klar gemacht werden, dass Schmerzen etwas Gutes seien.
Hamer sitzt derzeit in Frankreich in Haft, weil er dort illegal praktiziert hat. Er wird mit mehreren Todesfällen in Verbindung gebracht. Krebs sei die Folge eines seelischen Schocks und deshalb nicht mit Operationen oder Medikamenten zu heilen, so seine These. Hilfe verspreche nur die Lösung der seelischen Konflikte: „Mutter Natur schickt dann Tuberkelpartikel, die das Geschwür verkäsen und abräumen.“
In Deutschland ist Hamer Mitte der neunziger Jahre durch den Skandal um das „Krebskind Olivia“ bekannt geworden. Im Bauch des Mädchens hatte sich ein Tumor gebildet. Schuld an der Erkrankung seien ein „Flüchtlingskonflikt“ - die Familie war zu den Großeltern gezogen - und ein „Verhungerungskonflikt“ - offenbar schmeckten einige Gerichte nicht, die Oma kochte -, soll Hamer diagnostiziert haben.
Die Eltern des Mädchens verbaten daraufhin jegliche schulmedizinische Behandlung und tauchten mit dem Kind auf der Flucht vor den Behörden in Spanien unter. Nach monatelangem Streit und einem Gerichtsurteil wurde die Sechsjährige schließlich in ein Krankenhaus gebracht. Der Tumor - mittlerweile 4,2 Kilo schwer - wurde operiert und mit Medikamenten bekämpft. Heute gilt das Mädchen als geheilt.
Die Eltern wurden im November 1996 wegen Körperverletzung zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Hamer, dem bereits 1986 die ärztliche Zulassung aberkannt wurde, saß in Köln auf der Anklagebank, von wo aus der nach eigener Einschätzung „berühmteste Entdecker der Weltgeschichte“ seine Schriften publizierte. Wegen mehrfacher Verstöße gegen das Heilpraktikergesetz wurde er 1997 zu 19 Monaten Haft verurteilt.
(KStA)