Fränkischer Tag: Redeverbot
Fränkischer Tag, 23.11.2005
„Redeverbot“ für Krebs-Prediger Pilhar?
Geplante Veranstaltung im Schützenhaus sorgt für Diskussionsstoff — Veranstalter hält daran fest
Kreis Kronach. Wer Krebs hat, klammert sich an alles, was ein bisschen Hoffnung verspricht. Die Gefahr, in dieser Situation Scharlatanen zu verfallen, ist groß. So scheiden sich die Geister an einer Veranstaltung, die in exakt einer Woche im Schützenhaus stattfinden soll und die verspricht „Krebs ist heilbar!“.
von Frank Förtsch
Der Mann aus Österreich, der am nächsten Mittwoch in Kronach referieren soll, ist aus den Medien bekannt. Vor zehn Jahren sorgte Helmut Pilhar für Aufsehen, als er mit Frau und der an einem Nierentumor leidenden Tochter Olivia nach Spanien floh, um ihr Chemotherapie und Operation zu ersparen. Sie wollten nach der Lehre des deutschen Arztes Ryke Geerd Hamer (siehe Infobox) auf eine Spontanheilung warten. Die Familie wurde aufgespürt, den Eltern das Sorgerecht entzogen, das Kind operiert und einer Chemotherapie unterzogen. „Das Kind wurde knapp dem Tod entrissen“, sagten Schulmediziner hinterher. Die Eltern dagegen beharren darauf, dass ihr Kind zwangsbehandelt und fast zu Tode therapiert wurde.
Auch in Kronach will Helmut Pilhar am kommenden Mittwoch den Krebs als Krankheit der Seele beschreiben, will über Krankheitsursachen, Chemotherapie und den Fall seiner Tochter sprechen, so das Plakat zur Vorankündigung.
Krebs – sinnvolles Sonderprogramm?
Im „Kleingedruckten“ steht, dass er sich auf die „Germanische Neue Medizin®“ von Dr. Hamer bezieht. Diese Bewegung hat nach einem Bericht des ARD-Magazins „Kontraste“ vom 10. November in ganz Europa Zulauf. Das Urteil der Autoren des Fernsehbeitrages fällt eindeutig aus: „Am Germanischen Wesen soll die Welt genesen – das könnte ja noch als Spinnerei durchgehen und bräuchte uns nicht weiter zu interessieren – wenn nicht so viele Kranke auf die absurden ,Therapien‘ der Bewegung hereinfielen. Und oft mit ihrem Leben für ihre Gutgläubigkeit bezahlen müssen.“
150 bis 200 Mal im Jahr ist Helmut Pilhar im Jahr unterwegs und bildet so genannte „Stammtisch“-Leiter aus, um die Hamer-Theorie unters Volk zu bringen. Erst vor wenigen Tagen soll er bei einer Veranstaltung in Lauf/Nürnberg einmal mehr den Krebs als „Teil eines sinnvollen biologischen Sonderprogramms“ beschrieben haben.
Auf die unappetitlichen Wahnvorstellungen, eine jüdische Weltverschwörung verhindere die Verbreitung seiner Erkenntnisse – diese findet man auf der Internetseite der „Germanischen Neuen Medizin“ –, geht Pilhar in seinen Vorträgen nicht ein.
Entscheidung fällt am Donnerstag
Schützenhauswirtin Brigitte Angles erfährt erstmals durch unsere Nachfrage davon, dass die Thesen des Referenten, der im Schützenhaus auftreten wollte, umstritten sind. „Ich sage die Veranstaltung ab“, so ihre erste Reaktion für den Fall, dass in irgend einer Form rechte Tendenzen ersichtlich würden. Bei ihr habe ein Mann aus Kronach den Saal reserviert. Dieser habe nur nicht gewusst, ob man den kleinen oder den großen Saal benötigen werde. Ihr sei lediglich gesagt worden, dass es um alternative Medizin gehe. Selbst auf Nachfrage sei ihr nur gesagt worden, dass sie sich doch überraschen lassen solle.
Sie werde die Veranstaltung nur durchführen, wenn es sich um eine rein medizinische handele. Die Vorstellung, einem Referenten ein Forum zu bieten, der sich teilweise auf rechtes Gedankengut beziehe, sei für sie ein Unding. So etwas könne sie nicht fördern. Andere Wirte seien da offensichtlich nicht so „wählerisch“, bezieht sie sich auf ein Konzert mit einem Musiker der rechten Szene am vergangenen Freitag in Haßlach bei Kronach. Eine abschließende Entscheidung, ob die Veranstaltung im Schützenhaus stattfinde, werde am Donnerstag fallen.
Dirk Vitz aus Kronach, der den Referenten für Kronach gewonnen hat, wird durch unseren Anruf von dem möglichen Redeverbot im Schützenhaus überrascht. „Da muss ich mit Frau Angles reden. So leicht lasse ich mich nicht abspeisen. Ich werde an der Veranstaltung festhalten.“ Er selbst sei auf Grund der Betroffenheit in der eigenen Familie mit der „Neuen Medizin“ in Kontakt gekommen. Stammtische der Anhänger gebe es in Bamberg, Hof oder Bayreuth. Die Kritik an der Hamerschen Theorie selbst habe keinen Hintergrund.
Genie oder Scharlatan? Seine Anhänger verehren ihn als Genie, Kritiker stufen ihn als gefährlichen Scharlatan ein. Die von Ryke Geerd Hamer erfundene "Germanische Neue Medizin®" verspricht: Krebs ist heilbar - ohne Chemotherapie und Bestrahlung. Hamer entwickelt nach einer eigenen Krebserkrankung eine Theorie ("Die Eiserne Regel des Krebs"), die jeder Tumorart eine speziellen psychischen Konflikt zuordnet. Er ordnet diese Störungen bestimmten Orten des Gehirns ("Hamersche Herde") zu. Seine These: Die Patienten müssen lediglich ihren Konflikt lösen. Dann dürften sie in einer zweiten Krankheitsphase auf die Selbstheilung ihres Krebsleidens hoffen. 1986 wird ihm die Approbation entzogen. Weil Anhängerinnen des Arztes in Frankreich Krebspatienten im Sinne seiner Lehre bis zu deren Tod von einer konventionellen Behandlung abraten, wird der Deutsche dort in Abwesenheit zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, in Spanien festgenommen und ausgeliefert. Derzeit sitzt Hamer in der Nähe von Paris in Haft. |