Zehn Monate bedingte Haft für Mutter
Kleine Zeitung, 06.07.2010
Die Mutter leidet an HIV, sie glaubt aber nicht an die Existenz der Krankheit. Deshalb traf sie keine Vorkehrungen und steckte ihr Kind an. Das Urteil: Zehn Monate bedingte Haft.
Zu Beginn der Verhandlung gibt Verteidiger Herwig Wutscher eine Erklärung ab: "Meine Mandantin hat mich als ihren bestellten Verfahrenshilfeanwalt abgelehnt, weil sie kein Vertrauen zu mir hat. Ich habe aber die Verpflichtung, die heutige Verhandlung wahrzunehmen." Ungerührt protokolliert das Richter Günter Sprinzel.
Zum zweiten Mal verantwortet sich die vierfache Mutter wegen des Vorwurfs, ihre neugeborene Tochter Muriel mit HIV infiziert zu haben. Sie leugnet die Existenz der Krankheit. Der aidskranke Vater des Kindes ist inzwischen gestorben.
Weitere Zeugen sagen aus: Eine Frauenärztin erklärt, wie es zum falschen Eintrag "HIV negativ" im Mutter-Kind-Pass kommen konnte. Eine Ärztin der Kinderklinik erzählt, dass Muriel an einer Infektion litt, die bei Immunschwäche auftritt. "Das Vollbild Aids war gegeben." Der Mutter wird vorgeworfen, keine Vorsichtsmaßnahme - Medikamente, Kaiserschnitt statt Hausgeburt, nicht stillen - ergriffen zu haben.
Heilung unmöglich
Der Sachverständige bestätigt, dass HIV und Aids wissenschaftlich sehr wohl nachgewiesen sind. Bei Vorsichtsmaßnahmen hätte das Infektionsrisiko des Kindes bei unter zwei, so bei 30 bis 40 Prozent gelegen. Bei ständiger Therapie kann Muriel sich normal entwickeln, ohne an Aids zu erkranken. Eine Heilung von HIV sei aber unmöglich.
Die Mutter wird zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt. Freigesprochen wird sie dagegen vom Vorwurf, die Hebamme gefährdet und Beamte und Ärzte verleumdet zu haben.
"Ich nehme an, dass wir Rechtsmittel ergreifen", sagt der Verteidiger. Seine Mandantin nickt.
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