BVG an Dr. Hamer
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- Präsidialrat -
Karlsruhe, den 29.10.1999
Durchwahl 9101-420
Bundesverfassungsgericht
Postfach 1771
76006 Karlsruhe
Herrn Dr. Ryke Geerd Hamer
c/o Rechtsanwalt Walter Mendel
von-Beckerath-Platz 4
47799 Krefeld
Betr.: Ihre Eingabe vom 15. Oktober 1999,
hier eingegangen per Telefax am 21. Oktober 1999
sowie Ihre Original-Eingabe vom 15. Oktober 1999,
hier eingegangen am 25. Oktober 1999
Anl.: 1 Merkblatt
Sehr geehrter Herr Dr. Hamer,
über die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde unterrichtet Sie das vorsorglich erneut beigefügte Merkblatt1 (aktuelle Fassung).
Wie Sie daraus u.a. ersehen, kann eine Verfassungsbeschwerde nur gegen konkrete Hoheitsakte, insbesondere eine mit weiteren Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidung (vgl. hierzu Abschnitt III Ziff. 2 des Merkblatts), erhoben werden.
Hinsichtlich des Verfahrens E 613 Ls 142/98 des Amtsgerichts Köln und des Verfahrens 12 E 2201/96 (2) des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main wird mangels näherer anderslautender Angaben davon ausgegangen, daß es sich hierbei um Verfahren der Dienstaufsichtsbeschwerde handelt. Dienstaufsichtliche Bescheide stellen jedoch keine Hoheitsakte dar. Denn diese Bescheide sind Verwaltungsakte, die Rechtswirkung zwischen dem Dienstherrn und dem der Disziplinargewalt Unterworfenen entfalten. Die Verfassungsbeschwerde eines Außenstehenden gegen einen solchen Bescheid wäre daher regelmäßig unzulässig.
Etwaige gerichtliche Entscheidungen, die den o.g. Dienstaufsichtsbeschwerde-Verfahren vorausgingen, und gegen die fristgerecht (vgl. die Ihnen bekannte Monatsfrist) Verfassungsbeschwerde erhoben werden könnte, wurde von Ihnen nicht konkret bezeichnet oder vorgelegt, so daß deshalb Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde bestehen.
Soweit Sie das Nichtbearbeiten Ihrer Anträge durch die Fachgerichte geltend machen, wäre die Rüge des Unterlassens der ordnungsgemäßen Bearbeitung der Verfahren ausreichend zu begründen. Hierzu wäre konkret vorzutragen, welche Anträge wann und mit welchem Inhalt gestellt und nicht bearbeitet wurden und welche Schritte Sie gegebenenfalls bis heute unternommen haben, um eine Weiterführung des Verfahrensablaufs (siehe dazu insbesondere Ihr Vorbringen bezüglich des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main) zu veranlassen. Ohne diese konkrete Angaben kann die zuständige Kammer des Bundesverfassungsgerichts nicht prüfen, ob die von Ihnen gerügten Grundrechtsverletzungen tatsächlich vorliegen.
Schließlich könnte der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts u.a. nur in Betracht kommen, wenn ein zulässiges Verfassungsbeschwerde-Verfahren anhängig wäre oder die Möglichkeit bestünde, ein zulässiges Verfassungsbeschwerde-Verfahren in Gang zu bringen. Da diese Voraussetzungen jedoch aus o.g. Gründen nicht vorliegen, kann auch ein solcher Antrag keine Aussicht auf Erfolg versprechen.
Die rechtliche Möglichkeit, eine vermeintliche Grundrechtsverletzung allgemein und ohne eigene Verletzung zu rügen, ist dem einzelnen Bürger durch die Verfassungsbeschwerde nicht gegeben, da das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Popularklage nicht zugelassen hat (vgl. BVerfGE 1, 91 <96>). Eine Verfassungsbeschwerde im Interesse möglicher Patienten könnten Sie daher nicht erheben.
Außerhalb seiner durch das Grundgesetz festgelegten Zuständigkeit hat das Bundesverfassungsgericht – wie Ihnen bekannt sein dürfte – keine Möglichkeit, auf Eingaben einzelner Bürger hin tätig zu werden. Insbesondere hat es keine Dienstaufsicht oder Weisungsrechte gegenüber anderen Behörden, Gerichten oder sonstigen Institutionen. Daher könnte es auch nichts hinsichtlich der von Ihnen gewünschten Anerkennung (siehe dazu die von Ihnen angesprochene amtliche Verifikation durch die Universität Trnava) veranlassen.
Sie werden um Verständnis dafür gebeten, daß aus den dargelegten Gründen Ihre o.g. Eingaben gemäß § 60 der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts (GOBVerfG) als Justizverwaltungsangelegenheit bearbeitet wurden (vgl. hierzu Abschnitt VIII des Merkblatts).
Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Dr. Langrock |
1- Merkblatt für die Verfassungsbeschwerde
zum Bundesverfassungsgericht
I. Allgemeines:
Jedermann kann Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte (vgl. Art 1 bis 19 GG) oder bestimmten grundrechtsgleichen Rechten (Art. 20 Abs. 4, Art. 33, 38, 101, 103, 104 GG) verletzt glaubt.
Das Bundesverfassungsgericht kann die Verfassungswidrigkeit eines Aktes der öffentlichen Gewalt feststellen, ein Gesetz für nichtig erklären oder eine verfassungswidrige Entscheidung aufheben und die Sache an ein zuständiges Gericht zurückverweisen.
Andere Klageziele (z.B. Verfolgung von Schadenersatzansprüchen, Stellung von Strafanträgen u.ä.) können im Wege der Verfassungsbeschwerde nicht erreicht werden. Der einzelne Staatsbürger hat grundsätzlich auch keinen mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbaren Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers.
Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen führen nicht zur Überprüfung im vollen Umfang, sondern nur zur Nachprüfung auf verfassungsrechtliche Verstöße. Daß die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung eines Gesetzes oder seine Anwendung auf den einzelnen Fall möglicherweise Fehler enthalten, bedeutet für sich alleine nicht schon eine Grundrechtsverletzung.
II. Form und Inhalt der Verfassungsbeschwerde:
Die Verfassungsbeschwerde ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Die Begründung muß mindestens folgende Angaben enthalten (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG):
Der Hoheitsakt (gerichtliche Entscheidung, Verwaltungsakt, Gesetz), gegen den sich die Verfassungsbeschwerde richtet, muß genau bezeichnet werden (bei gerichtlichen Entscheidungen und Verwaltungsakten sollen Datum, Aktenzeichen und Tag der Verkündung bzw. des Zugangs angegeben werden).
Das Grundrecht oder grundrechtsähnliche Recht, das durch den beanstandeten Hoheitsakt verletzt sein soll, muß benannt oder jedenfalls seinem Rechtsinhalt nach bezeichnet werden.
Es ist darzulegen, worin im einzelnen die Grundrechtsverletzung erblickt wird. Hierzu sind auch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsentscheidungen, Bescheide usw. in Ausfertigung, Abschrift oder Fotokopie vorzulegen. Zumindest muß ihr Inhalt aus der Beschwerdeschrift ersichtlich sein.
III. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen:
Die Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte und Behörden ist nur innerhalb eines Monats zulässig. Auch die Begründung (s. oben II) muß innerhalb dieser Frist eingereicht werden (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Konnte der Beschwerdeführer die Frist ohne Verschulden nicht einhalten, so kann binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Verfassungsbeschwerde nachgeholt werden. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten bei der Fristversäumnis steht dem Verschulden des Beschwerdeführers gleich ( § 93 Abs. 2 BVerfGG).
Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich erst dann zulässig, wenn der Bürger zuvor alle ihm sonst durch die Rechtsordnung eingeräumten Rechtsbehelfe (also z.B. Berufung, Revision oder Beschwerde zur nächst höheren Instanz) vergeblich genutzt hat und keine anderweitigen Möglichkeit besteht (oder bestand), die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder auf anderem rechtlich möglichem Wege ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht wird dagegen für eine zulässige Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nicht vorausgesetzt.
Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen können mit der Verfassungsbeschwerde nur ausnahmsweise unmittelbar angegriffen werden und zwar dann, wenn sie den Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschweren. Die Verfassungsbeschwerde muß in diesem Fall binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsvorschrift erhoben werden.
In der Regel bedürfen Rechtsvorschriften jedoch des Vollzuges, d.h. der Anwendung im einzelnen Fall durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, gegen die der Betroffene den Rechtsweg vor den zuständigen Gerichten erschöpfen muß. In aller Regel ist die Verfassungsbeschwerde daher in solchen Fällen erst nach der Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts zulässig (§ 90 Abs. 2 BVerfGG).
IV. Vertretung:
Der Beschwerdeführer kann die Verfassungsbeschwerde selbst erheben. Will er sich vertreten lassen, dann kann dies grundsätzlich nur durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder durch einen Lehrer des Rechts an einer deutschen Hochschule geschehen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Eine anderer Person läßt das Bundesverfassungsgericht als Beistand nur dann zu, wenn es dies ausnahmsweise für sachdienlich hält (§ 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG). Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und muß sich ausdrücklich auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beziehen (§ 22 Abs. 2 BVerfGG).
V. Annahmeverfahren:
Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung (§ 93 a Abs. 1 BVerfGG).
Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG).
Eine Verfassungsbeschwerde hat regelmäßig keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, wenn die von ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht bereits geklärt sind.
Zur Durchsetzung der Grundrechte kann die Annahme der Verfassungsbeschwerde – beispielsweise – angezeigt sein, wenn einer grundrechtswidrigen allgemeinen Praxis von Behörden und Gerichten entgegengewirkt werden soll oder wenn ein Verfassungsverstoß für den Beschwerdeführer besonders schwerwiegend ist.
Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde kann durch einstimmigen Beschluß der aus drei Richtern bestehenden Kammer erfolgen. Der Beschluß bedarf keiner Begründung und ist nicht anfechtbar (§ 93 d Abs. 1 BVerfGG).
VI. Gerichtskosten:
Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist kostenfrei. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 5000 Deutsche Mark auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Mißbrauch darstellt (§ 34 Abs. 2 BVerfGG).
VII. Rücknahme von Anträgen:
Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde oder eines Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung jederzeit möglich. Eine Gebühr (vergl. VI) wird in diesem Fall nicht erhoben.
VIII. Allgemeine Register (AR):
Eingaben, mit denen der Absender weder einen bestimmten Antrag verfolgt noch ein Anliegen geltend macht, für das eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts besteht, werden im Allgemeinen Register erfaßt und als Justizverwaltungsangelegenheit bearbeitet.
Im Allgemeinen Register können auch Verfassungsbeschwerden registriert werden, bei denen eine Annahme zur Entscheidung (§ 93 a BVerfGG) nicht in Betracht kommt, weil sie offensichtlich unzulässig sind oder unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich keinen Erfolg haben können (s. oben V).
Begehrt der Einsender nach Unterrichtung über die Rechtslage eine richterliche Entscheidung, so wird die Verfassungsbeschwerde in das Verfahrensregister übertragen und weiterbehandelt (§61 Abs. 2 GOBVerfG).
GG = Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 (BGBl I S. 1)
BVerfGG = Gesetz über das Bundesverfassungsgericht i.d.F. vom 11.8.1993 (BGBl I S. 1473), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.7.1998 (BGBl I S. 1823)
GOBVerfG = Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1986 (BGBl I S. 2529) i.d.F: vom 18.12.1995 (BGBl I 1996, 474)