BM für Gesundheit an Landessanitätsdirektion
BUNDESMINISTERIUM FÜR SOZIALE SICHERHEIT UND GENERATIONEN
An das
Amt der OÖ Landesregierung
Landessanitätsdirektion
Harrachstrasse 16a
4021 Linz
Wien, 27. Juli 2001
GZ: 205.912/0-VIII/B/11A/01
Betreff: Theorien zur Krebsbehandlung von Dr. Ryke Geerd Hamer
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu Ihrem Schreiben vom 28. Juni 2001, do. GZ San-211021/11-2001-H/Ko teilt das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Folgendes mit:
Im Oktober 1993 erfolgte erstmals eine Befassung des Obersten Sanitätsrates mit den Theorien zur Krebsbehandlung von Dr. Hamer. Anschließend erging mit GZ 22.150/7-II/B/11a/93 ein Schreiben an alle Ämter der Landesregierung, das über die Ergebnisse der Befassung des Obersten Sanitätsrates informierte. Die Aussage des OSR lautete folgendermaßen:
"Die von Dr. Ryke Geerd Hamer vertretenen Theorien der Krebsentstehung und Behandlung finden in mehrfacher Hinsicht keine Stütze in den Ergebnissen der modernen Krebsforschung und -therapie:
1. Die Krebsentstehung kann als mehrstufiger Prozeß angesehen werden. Verschiedenste Noxen führen zu Chromosomenveränderungen und anderen Störungen der genetischen Substanz der Zelle, wodurch es zu unkontrolliertem Wachstum und Absiedlungen von Tochtergeschwülsten in verschiedene Organe kommt.
Neben den vielen krebsauslösenden Faktoren können psychogene Einflüsse von zusätzlicher Bedeutung sein. Die These von Dr. Hamer, daß akut traumatische Konflikterlebnisse die ausschließliche Ursache von Neoplasien sind, läßt sich nach den modernen Ergebnissen der Krebsforschung jedoch nicht stützen.
2. Dr. Hamer vertritt weiters die Theorie, daß bei malignen Erkrankungen regelmäßig Herdbildungen im Gehirn auftreten, die im Computertomogramm nachweisbar sind. Er schreibt, daß es in der Sekunde des Schocks neben dem Krebswachstum am Ort des Tumors gleichzeitig zur Bildung eines derartigen Herdes kommt. Diese Herde sollen nach den Hamer’schen "Eisernen Regeln des Krebses" mit dem Beginn des Krebswachstums im Bereich des Primärtumors verknüpft sein. Die drei Ebenen "Psyche, Organ und Gehirn" stünden im direkten Bezug zueinander. Wäre nur eine Komponente von den dreien bekannt, so könne man die beiden anderen nachweisen.
Computertomographisch fassbare Gehirnveränderungen sind bei Tumorkrankheiten selbstverständlich Ziel zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Daß bei Tumorkrankheiten im Frühstadium mit Gesetzmäßigkeit im CT fassbare Veränderungen auftreten, deren Lokalisation das Befallmuster der Tumorkrankheit bestimmt, ist eine völlig unhaltbare These.
3. Grundlagen der modernen Therapie von Tumorerkrankungen sind Operation, Radiotherapie und medikamentöse Behandlung. Früherkennung und früher Therapie kommen im Hinblick auf eine mögliche Heilung eine besondere Rolle zu. Psychotherapien können in jedem Stadium des Tumorwachstums unterstützend wertvoll sein, sie gehören jedoch zu den zusätzlichen Maßnahmen, die allein eine manifeste maligne Erkrankung nicht zur Rückbildung bringen können. Dr. Hamer vertritt die Meinung, daß durch die Lösung des traumatisierenden Konfliktschocks in einer vagotonen Heilungsphase die Hamer’schen Herde im Gehirn zusammen mit der Krebsgeschwulst am Organ abheilen können. Diese Wunschvorstellung entspricht offensichtlich nicht der Realität des Tumorwachstums, das eigengesetzlich erfolgt. Besonders bedenklich sind diese Aussagen, da durch das Hinausschieben der definitiven Krebstherapie zumindest kostbare Zeit verloren geht, in der noch tatsächlich Heilungsmöglichkeiten gegeben sein können.
Zusammenfassend können weder die Theorie von Dr. Hamer noch sein empfohlenes Vorgehen als onkologisch akzeptabel angesehen werden. Sie widersprechen in verschiedenster Hinsicht den wichtigsten Vorstellungen über die Krebsentstehung und bei dieser Erkrankung wirksamen Therapieformen. Daß die Theorien von Dr. Hamer bei Laien Erwartungen wecken ist nur zu verständlich. Leider handelt es sich aber eindeutig um Wunschvorstellungen oder möglicherweise Beobachtungen bei nicht malignen Erkrankungen. Die Medienwirksamkeit dieser Vorstellung läßt in keiner Weise auf Behandlungserfolge bei Tumorkrankheiten schließen. Tumorpatienten, welche sich derartigen Maßnahmen unterziehen, laufen Gefahr, wertvolle Zeit zu versäumen, in der noch definitive Behandlungschancen (einschließlich Heilung) gegeben sein können." (Zitat OSR Ende)
Im Mai 2001 wurden die Behandlungsmethoden von Dr. Hamer wieder beim Obersten Sanitätsrat thematisiert. Es wurde festgestellt, daß keine Studien vorliegen, die eine Wirksamkeit der Methoden bestätigen und daher eine neuerliche Befassung nicht erforderlich erscheint.
Mit besten Grüßen
Für den Bundesminister
KURZ