Dr. Hamers Wiederkehr
NEWS, 45/00, 9.11.2000
Olivias „Heiler“. Die Staatsanwaltschaft sucht Ryke Geerd Hamer. Doch von Spanien aus dirigiert der „Wunderheiler“ ein millionenschweres Netzwerk.
Das Foto zeigt ein hübsches, schlankes elfjähriges Mädchen: braune Augen, ein verschmitztes Lächeln, das Gesicht von dunklen Haaren umrahmt. „Schauen Sie sich das nur an, die Schulmedizin hat Olivia für immer krank gemacht. Ich hätte sie ohne Nebenwirkungen geheilt.“
Olivias Schicksal. Olivia Pilhar – jenes Mädchen, dem Ryke Geerd Hamer seinen zweifelhaften Ruhm verdankt und dessen Schicksal im Sommer 1995 ganz Europa erschütterte. Ihre Eltern hatten das schwer krebskranke Kind nach Spanien „geschmuggelt“, um zu verhindern, dass Olivia in Österreich schulmedizinisch behandelt wird. Der Mann, in den sie ihr ganzes Vertrauen setzten, war der selbst ernannte Krebsheiler Hamer. Der fußballgroße Tumor in Olivia Bauch konnte erst durch eine Notoperation im Wiener AKH entfernt und die damals Sechsjährige durch eine Chemotherapie geheilt werden. Olivia ist heute geheilt, laut Aussage der Ärzte wäre Olivia „in Hamers Händen gestorben“.
Die Causa brachte Olivias Eltern vor Gericht und zwang den „Wunderheiler“ zur Flucht. Doch nur fünf Jahre später ist der Erfinder der „Neuen Medizin“ – einer fraglichen Krebsheilungstheorie – mehr im Geschäft denn je.
Staatsanwalt jagt Hamer. Das Telefon in seinem neuen Domizil klingelt beinahe ununterbrochen, Dutzende Menschen schicken täglich E-Mails mit dringenden Anfragen. Manche Patienten kommen gar per Flugzeug angeflogen, um von ihrem Guru Rat und Hilfe zu erbitten. Die kleine Ortschaft Alhaurin el Grande an der spanischen Costa del Sol ist zur internationalen Zentrale der „Neuen Medizin“ geworden. Für die Gerichte ist der berüchtigte und wegen „fahrlässiger Körperverletzung“ und „Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz“ mehrfach verurteilte „Wunderheiler“ wegen „unbekannten Aufenthalts“ einfach unauffindbar. Die brisante Anklageschrift (Aktenzeichen 34 Js 221/96) in der Causa Olivia Pilhar wurde bereits 1996 fertig gestellt und liegt seither der Staatsanwaltschaft Köln vor.
„Solange wir Hamer nicht haben, gibt es keinen Prozeß“, so Köln Oberstaatsanwältin Regine Appenroth. NEWS gelang es dennoch, über einen Schweizer Mittelsmann den Wunderheiler zu finden. Sein Kommentar zu dem anhängigen Verfahren: „Durch meine Therapie wurden Hunderte Menschen geheilt, ich weiß nicht, was das Gericht von mir will.“ Tatsächlich wurden bereits Dutzende Krebspatienten von Hamer zu Tode therapiert. Dennoch arbeitet Hamer, der in Österreich, Deutschland und Frankreich nicht mehr als Arzt praktizieren darf, vom Exil aus unbeirrt weiter. Geschätzte 100.000 Anhänger hat er bereits in ganz Europa.
Das Netzwerk. Unbemerkt von den Behörden hat Ryke Geerd Hamer von Spanien aus eine nahezu perfekt durchdachte Untergrundorganisation aufgebaut, von deren Ausmaß selbst die österreichische Ärztekammer überrascht ist (siehe Grafik Seite 70). Der „Kopf“ der Deutsch-Österreich-Connection ist der Computerexperte Helmut Pilhar, Olivias Vater. Die Zentrale Schnittstelle ist das Internet. Über eine eigene Homepage verkündet Pilhar Hamers Lehre. Dazu kommen regelmäßige Stammtische in den Bundesländern, wo treue Hamer-Jünger sowie ahnungslose Neulinge zusammenfinden. Der Ansturm ist enorm: Allein in Wien treffen sich jedem ersten Donnerstag im Monat rund vierzig oft schwer krebskranke Hamer-Fans. Vortragender ist Helmut Pilhar.
Das Millionengeschäft. Via Internet werden von so genannten „Vereinen“ – den zentralen Anlaufstellen der „Neuen Medizin“ – wichtige Kontakte hergestellt, unter anderem sogar zu Hamer persönlich. Darüber hinaus gibt es landesweit einen genauen Terminplan für Vorträge und Seminare, die zum Teil bereits Monate vorher ausgebucht sind. Kostenpunkt: 2.500 Schilling pro Teilnehmer. Ein Insider: „Hamer verdient Millionen auf Kosten gutgläubiger Menschen.“ Als Gegenleistung dürfen die Hamer-Jünger auf ein persönliches Treffen hoffen. Über Mittelsmänner erfahren die Spender die Telefonnummer des „Wunderheilers“ und können sich so direkt an der Costa del Sol einen Termin ausmachen.
Ärzte gegen Hamer. Warum viele Krebspatienten Hilfe bei Hamer suchen, bringt Günther Henze, Chefonkologe an der Kinderklinik in Berlin und Gutachter im Ermittlungsverfahren gegen Hamer, auf den Punkt: „Krebskranke Menschen sind verzweifelt und fühlen sich oft von den Ärzten unzureichend betreut. Deshalb klammern sie sich an die Hoffnung der Selbstheilung, die ihnen Hamer so redegewandt gibt. Ein gefährliches Spiel mit dem Leben.“
Hamers Therapie, benannt nach seinem unter tragischen Umständen verstorbenen Sohn Dirk (DHS – Dirk Hamer’sche Syndrom), ist auf einen Satz zu komprimieren: „Krebs entsteht im Gehirn wegen schwerer Konflikte – durch deren Lösung verschwindet er wieder von selbst.“ Krebstherapien wie Bestrahlung oder Chemotherapie sind laut Hamer „Massenverbrechen, mit deren Hilfe die Patienten sinnlos umgebracht“ werden.
S. Sklenar, B. Oppolzer
Exklusivinterview mit dem "Wunderheiler"
"Größenwahn? Ich doch nicht"
Ryke Geerd Hamer über seine Theorien und Pläne
Das Versteck von Ryke Geerd Hamer ist gut gewählt: das kleine spanische Dorf Alhaurin nahe Malaga. Die Adresse, nach der unter anderem die Staatsanwaltschaft Köln verzweifelt fahndet – eine idyllische Bungalowsiedlung. Der Schweizer Harald B. stellt für NEWS den Kontakt zu Hamer her. Nur zwei Stunden später ist der Gesuchte am Telefon.
NEWS: Herr Dr. Hamer, wie geht es Ihnen im spanischen Exil?
Hamer: Danke, gut. Hier ist man etwas toleranter als in Deutschland oder Österreich. Auf der Uni-Klinik in Barcelona wäre man sogar bereit, die "NEUE MEDIZIN" anzuwenden. Aber die oberste Instanzen wissen es immer noch zu verhindern.
NEWS: In Deutschland werden Sie per Haftbefehl gesucht, ein Prozess ist anhängig. Warum stellen Sie sich nicht der Justiz?
Hamer: Die Gerichte wollen nicht verhandeln, sie wollen ein Exempel statuieren. Außerdem müßten sie zugeben, daß in der Schulmedizin alles Schwindel ist.
NEWS: Was konkret werfen Sie der Schulmedizin vor?
Hamer: Das ist keine Wissenschaft, bestenfalls eine Art Theologie. Die so genannten Mediziner haben den Tod von weltweit zwei Milliarden Menschen verschuldet. Das ist ein Verbrechen, das seinesgleichen sucht. Höchstens die Unfallchirurgie ergibt einen Sinn.
NEWS: Viele Ihrer Patienten starben nach Ihrer Behandlung ...
Hamer: Jeder Krebs ist auf einen inneren Konflikt zurückzuführen; wird dieser gelöst, verschwindet der Krebs. Viele sterben, weil ihnen das nicht gelingt. Die anderen, weil sie zuvor von der Schulmedizin behandelt wurden.
NEWS: Kritiker sagen, Sie seien größenwahnsinnig.
Hamer: Die Schulmediziner bräuchten sich nur eingestehen, daß sie umsonst geforscht und gelebt haben. Ich weiß, ich habe Recht.
NEWS: Tatsächlich scheinen Sie in letzter Zeit immer mehr Anhänger zu haben. Worauf führen Sie das zurück?
Hamer: Auf die Tatsachen! Es löst weltweit einen Sturm der Empörung aus, wenn die Menschen erfahren, daß 100 Prozent der Israelis seit fast 20 Jahren ausschließlich – geheim – die NEUE MEDIZIN praktizieren, mit 98-prozentiger Überlebensrate. Die gleichen Israelis, denen fast alle Medien weltweit gehören, haben für die Nicht-Israelis immer eifrigst Schulmedizin und Chemotherapie propagiert.
NEWS: Haben Sie nun nach dem Feindbild "Schulmedizin" auch die "Jüdische Weltverschwörung" entdeckt?
Hamer: Ich bin kein Rassist, aber die Israelis sollten endlich zugeben, daß sie die "NEUE MEDIZIN" praktizieren.
NEWS: Haben Sie regelmäßig Kontakt zu Ihren Patienten und Anhängern in Österreich?
Hamer: Das läßt sich schon machen, obwohl die meisten meiner Leute im Untergrund tätig sind. Im Internet geht vieles einfacher. Trotzdem müssen wir sehr aufpassen.
NEWS: Welche Rolle spielt Helmut Pilhar in Ihrer Organisation?
Hamer: Herr Pilhar ist sehr wichtig und macht seine Sache sehr gut.
NEWS: Stimmt es, daß Sie neuerdings auch die Gründung einer "Internationalen Akademie für Neue Medizin" planen, um dort Ärzte auszubilden?
Hamer: Ja, eine solche Akademie ist geplant, es gibt aber noch nichts Konkretes. Die NEUE MEDIZIN gehört jedoch nicht vorrangig an eine Akademie, sondern an alle Universitäten dieser Welt. Denn im Gegensatz zur Schulmedizin ist sie – so wie die Chemie oder Physik – eine Wissenschaft.