Das Bild von Götter in Weiß gehört auf die Müllhalde
Kurier, 28.8.2000
Forum Alpbach: Gestiegenes Selbstbewußtsein der Patienten, Problem mit Gesundheitsinfos
Josef Gebhard, Alpbach
"Das Bild von den Ärzten als ‚Götter in Weiß‘ ist mittlerweile auf der Müllhalde der Geschichte gelandet." Das sagte Elmar Doppelfeld, Leiter der Redaktion des Deutschen Ärzteblattes, Sonntag bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen. Grund dafür sein ein gesteigertes Selbstbewußtsein der Patienten, das sich unter anderem in der steigenden Zahl von Selbsthilfegruppen ausdrücke.
Damit einher geht das zunehmende Bedürfnis der Patienten nach medizinischer Information. "Dies hängt u.a. mit der steigenden Bedeutung von chronischen Krankheiten zusammen, die das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten neu definierte", so der Wiener Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder. Die wichtige Bedeutung der Kommunikation innerhalb der Therapie werde noch zu wenig berücksichtigt und zu sehr von der öffentlichen Diskussion um die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems überlagert.
Der gesundheitsinteressierte Konsument sieht sich heute mit einer enormen Fülle von medial verbreiteter medizinischer Information konfrontiert: Zunehmend wird es für ihn unmöglich, zwischen wissenschaftlich fundierter und unseriöser Berichterstattung zu unterscheiden, waren sich die Diskutanten einig. Dies gelte vor allem für das Internet.
Ein Grund für die schwere Kommunizierbarkeit liege aber in Unschärfen in der medizinischen Praxis selbst.
"Laut einer US-Studie ist die Wirkung von 51 Prozent der in den westlichen Staaten angewandten Therapieformen wissenschaftlich nicht beweisbar", erklärte Rieder. Nur vier Prozent würden einer strengen Prüfung standhalten können.
"Damit der Patient mit der verwirrenden Fülle an medizinischer Informationen kritische umgehen kann, ist eine ausreichende gesundheitliche Basisbildung nötig, die schon in den Schulen beginnen und im Idealfall lebensbegleitend sein soll", betonte Ulrich Bode, Präsident der Pharmig (Vereinigung pharamzeutischer Firmen).
Einen Teil der Schuld für die Verunsicherung der Bevölkerung trage die medizinische Forschung selbst: "Zu oft geht sie mit sensationell anmutenden Erkenntnissen an die Öffentlichkeit, die auf unfertige Studien beruhen. Als Folge werden von den Laien Erwartungen an die Medizin gestellt, die sie nicht erfüllen kann", sagte Rieder.
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