Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern
Zeuge Stangl

Zeuge Dr. Willibald STANGL, geboren 28.06.1939, prakt. Arzt, wh. 3430 Tulln, Wildgasse 7

fremd, gibt nach WE vernommen an:

Meine Angaben im Protokoll vom 19.12.1995 vor dem Bezirksgericht Tulln sind richtig.

Amtsarzt oder Bezirksarzt umfaßt die Tätigkeiten in prophylaktischer Hinsicht für den ganzen Bezirk, ob das nun Impfungen sind, Wasserhygiene, Abwasserbeseitigung, Luftreinhaltung, Gewerbeordnung, alles, was in den menschlichen Bereich an nachteiligen Sachen hineinspielen könnte; in der prophylaktischen Medizin sind Impfungen enthalten, Beratungen, wenn Leute etwas brauchen, amtsärztliche Zeugnisse auszustellen bei den Gelegenheiten, die im Gesetz vorgesehen sind.

Der ER: Wie kam der Kontakt mit den Eheleuten Pilhar zustande; in Ihrer Funktion als Amtsarzt oder hat das mit etwas anderem zu tun?

Zeuge: Sicher als praktischer Arzt.

Seite 180

Der ER: Waren sie bei Ihnen in der Ordination als praktischer Arzt?

Zeuge: Nein. Es war ca. Mitte Mai des vergangenen Jahres. Herr Pilhar, der mir unbekannt war, hat mich angerufen und mir mitgeteilt, daß bei seiner Tochter eine Krebserkrankung festgestellt worden sei; ich möge ihm helfen. Durch das Telefon gebe ich nicht gerne Auskünfte, denn diese können prinzipiell alle falsch sein. Ich habe ihn gefragt, wer die Diagnose gestellt hat und was er bereits unternommen habe. Er hat mir mitgeteilt, er sei im St.Anna-Kinderspital gewesen und dort habe man ihm zu einer Chemotherapie und anschließend vielleicht einer Operation geraten. Er fürchte sich aber vor der Chemotherapie für sein Kind. Am Telefon so plötzlich konfrontiert kann man natürlich keine wirklich umfassenden Auskünfte geben. Ich habe ihm damals geraten, er solle neuerlich eine Computertomographie machen lassen, um festzustellen, ob der Tumor wirklich so groß ist, oder ob er Tendenz zum Wachsen zeigt. Wenn das der Fall wäre, dann muß gehandelt werden. Das hat er getan. Er hat mich dann wieder angerufen, ich glaube, das war eine Woche später, und hat mir mitgeteilt, der Tumor sei gewachsen. Daraufhin habe ich ihm gesagt, jeder Tumor, der wächst, kann Probleme machen, hier muß etwas geschehen, er solle sich mit Ärzten in Verbindung setzen, die diese Dinge behandeln können. Das St.Anna-Kinderspital hat ihm offenbar absolut nicht goutiert. Daraufhin habe ich ihm gesagt, es gibt auch andere Kliniken, man kann auch nach Graz oder Innsbruck oder, wenn man es sich leisten kann, privat irgendwo hingehen, damit die Sache einmal in den Griff kommt. Das war es schon. Ich bin dann auf Urlaub gegangen. Damit war der erste Kontakt mit der Familie Pilhar vorbei.

Seite 181

Der ER: Von wann an haben Sie Kontakt gehabt?

Zeuge: Das kann etwa nach dem 15.05. bis zum 28.05.1995 gewesen sein. Es war nicht sehr lange, weil ich schon Urlaubsvorbereitungen gehabt habe und dann weg war.

Der ER: Das war die Zeit vor Spanien. Wie und warum sind Sie nach der Rückkehr aus Spanien wieder eingebunden worden?

Zeuge: Warum weiß ich nicht. Ing. Pilhar hat nach der Rückkehr aus Spanien angerufen und hat mich um Hilfe gebeten. Es solle etwas geschehen. Ich sagte, ich kann ihm nicht helfen, als Praktikus hat man mit Tumoren wenig zu tun. Das kommt einem vielleicht ein-, zweimal in der Praxis unter, aber allein aus den TV-Bildern war mir klar, daß das Kind in keinem guten Zustand gewesen ist. Ich habe ihm angeboten, daß man das Kind eventuell in Tulln im Krankenhaus aufnehmen kann, um einmal zu schauen, was wirklich los ist oder, was man einmal an Behandlung machen kann. Ich habe mich dann sofort mit dem Leiter der Kinderabteilung, Prim. Vanura, in Verbindung gesetzt, bin persönlich zu ihm hingegangen und habe ihm die Situation geschildert. Er hat ja schon einiges aus den TV-Sendungen gewußt und hat sich sofort bereiterklärt, das Kind aufzunehmen, wenn die Familie einverstanden ist. Ich habe dann Herrn Pilhar zurückgerufen und habe ihm das mitgeteilt und zu ihm gesagt, sie können am Vormittag, das war glaublich ein Dienstag, in das Krankenhaus Tulln kommen; es sei alles vorbereitet, sie haben ein Zimmer für sich, die Mutter muß dabeisein. Das war dann das Telefongespräch. Am Abend haben wir uns noch mit Dr. Zimper und Dr. Marcovich in der Ordination von Frau Dr. Rozkydal

Seite 182

getroffen. Herr Pilhar wollte immer wieder wissen, ob bei dem Kind eine Chemotherapie gemacht wird oder nicht. Das habe ich ihm nicht versprechen können, denn die Behandlung in einem Krankenhaus geht mich nichts an. Das macht der Abteilungsleiter. Wir haben versucht, Herrn Pilhar zu informieren, daß es jetzt wichtig ist, daß das Kind auf die Station kommt, um eventuell Infusionen zu geben bzw. Schmerzbekämpfung zu machen. Das hat ziemlich lang gedauert, bis in die Nacht hinein. Die Familie Pilhar ist am nächsten Tag prompt zur vereinbarten Zeit im Krankenhaus Tulln erschienen. Das war mein Beitrag. Damit hat es sich schon gehabt.

Der ER: In Ihrer Aussage (AS 453) heißt es: "Am Tag nach der Einlieferung der Olivia ins Krankenhaus Tulln verweigerte Herr Pilhar plötzlich jegliche diagnostische Untersuchung bzw. auch die geplante Behandlung mit Zytostatika. Unter welchem Einfluß er dies plötzlich machte, kann ich nicht sagen, jedoch vermute ich die Beeinflussung durch verschiedene alternative Gruppen, die skurrile und absurde Ideen vorbrachten, wie das Kind zu heilen sei."

Wieso war es für Sie plötzlich?

Zeuge: Ich wurde von Dr. Zimper bzw. von unserem Bezirkshauptmannstellvertreter angerufen; diese haben mir mitgeteilt, es gibt Schwierigkeiten bei der Untersuchung des Kindes und auch bei der Behandlung. Ich möge ins Krankenhaus kommen. Das habe ich auch getan.

Der ER: Inwiefern war das für Sie plötzlich?

Zeuge: Weil es anders ausgemacht war. Die Familie Pilhar hatte zugestimmt, das Kind ist ja dann am Tag nach der Aufnahme zu einer Untersuchung geführt worden

Seite 183

nach Stockerau oder Korneuburg, ich weiß nicht mehr wohin. Das ist ja durchgeführt worden. Dann plötzlich war diese Zäsur.

Der ER: Weiter heißt es in Ihrer Aussage: "Jedenfalls vermute ich, daß die Familie Pilhar nicht ausschließlich unter dem Einfluß Hamers stand."

Zeuge: Was sind Vermutungen? Es war ein Faktum da, daß die Behandlung nicht durchgeführt werden kann. Ich habe nur im Krankenzimmer so viele Leute gesehen, was mir persönlich eigentlich weh getan hat, denn wenn ein schwerkranker Mensch im Bett liegt und Schmerzen hat, und es gehen so viele Leute aus und ein, es ist mit Handys telefoniert worden, das tut einem eigentlich weh, wenn man weiß, daß ein Patient dauernd Ruhe braucht. Es waren Leute drin, die mir persönlich nicht sehr sympathisch vorgekommen sind, aber das ist mein persönlicher Eindruck. Der hat ja nichts Sachliches zu sagen.

Der ER: Sie sagen "...vermute ich die Beeinflussung durch verschiedene alternative Gruppen, die skurrile und absurde Ideen vorbrachten...

Meinen Sie damit, daß das nicht ausschließlich Hamer, sondern auch diese ´skurrilen Gruppen´ sind? Haben Sie einen Anhaltspunkt dafür?

Zeuge: Ich habe keinen Hinweis, ob eine Verbindung mit Dr. Hamer hergestellt worden ist. Ich habe mit Dr. Hamer zu keinem Zeitpunkt über die Causa Olivia gesprochen. Wie weit die Familie Pilhar mit ihm Kontakt gehabt hat, weiß ich auch nicht. Es hat mich nur eines gestört in diesem Krankenzimmer, daß eine Frau mit einer Beschwörungsformel gekommen ist und mit einem deutschen Kollegen telefoniert hat und gesagt hat: "Hier liegt ein Kind mit einem Platzbauch, hilf uns, es muß hier etwas

Seite 184

geschehen." Das war für mich etwas, was mich gestört hat. Das meine ich mit ´skurril´.

Der ER: Wer wäre Ihrer Meinung nach noch beteiligt gewesen, wenn Sie sagen "nicht ausschließlich"?

Zeuge: Das weiß ich nicht. Ich kenne die Leute nicht. Ich habe sie nicht gekannt. Das ist eine reine Vermutung. Die will ich nicht näher ausführen.

Der ER: Der letzte Satz in Ihrem Protokoll lautet: "Abschließend möchte ich sagen, daß von Ing. Pilhar die Darstellung des lebensbedrohenden und gefährlichen Zustands von seiten der Ärzte und auch von mir nicht angenommen wurde und deshalb eine Kooperation mit ihm unmöglich war."

Auf welche Fakten beziehen Sie sich bei dieser Schlußfolgerung?

Zeuge: Als die Mitteilung gekommen ist, daß die Behandlung dort nicht durchgeführt werden kann, habe ich mich mit ihm längere Zeit unterhalten. Ich habe ihn gebeten, daß er doch zustimmen solle, daß dem Kind etwas an schmerzstillenden Medikamenten gegeben wird, daß man doch etwas unternehmen müsse, denn nach den Röntgenbildern war ja nur mehr eine Tumormasse im Bauch zu sehen. Das gibt einfach lebensbedrohliche Probleme. Er war irgendwie fast zugemacht, weil er geglaubt hat, dem Kind werden Morphiumtabletten gegeben. Ich habe versucht, ihm das auszureden. Ich sagte, diese Medikamente, die das Kind bekommen hat, waren Kinder-Asprotabletten, die waren originalverpackt, das kann man nachweisen. Er sagte, nein, er vermutet, daß dem Kind schon irgendwelche schweren schmerzstillenden Medikamente morphinhältigen Inhaltes gegeben worden seien. Ich habe mich bemüht, das alles zu

Seite 185

erklären, aber ich bin nicht an ihn herangekommen. Warum und wieso, das weiß ich nicht.

Der StA: keine Fragen.

Verteidiger Mag. Rebasso: Was hat Herrn Pilhar Ihrer Meinung nach bewogen, Sie damals anzurufen.

Zeuge: Das weiß ich nicht. Er hat eben wegen seiner Tochter angerufen. Es ist kein Gespräch vorangegangen, mit niemandem. Das war ein Anruf aus heiterem Himmel.

Verteidiger Mag. Rebasso: Hat er Ihnen damals gesagt, ob schon Befunde vorliegen, hat er Ihnen etwa den Status geschildert, und wenn ja, wie?

Zeuge: Er hat mir gesagt, laut vorliegenden Befunden ist es ein Tumor der Niere, ein sogenannter Wilmstumor. Das war beim ersten Telefongespräch schon der Fall.

Verteidiger Mag. Rebasso: Hat er Ihnen auch über die Therapievorschläge bzw. über die angeordnete Therapie von seiten der Krankenhäuser etwas gesagt?

Zeuge: Ich habe ihn gefragt, was er bereits unternommen hat, was in der Zwischenzeit geschehen ist, ob er irgendjemanden konsultiert hat. Dann war die Mitteilung, ja, das St.Anna-Kinderspital, aber mit dem sei er nicht einverstanden, weil er die Chemotherapie vorgeschlagen bekam und die fürchtet er. Ich habe ihn ja vorher nicht gekannt, aber es war direkt Panik in seiner Stimme, als er über die Chemotherapie gesprochen hat. Was soll man darauf sagen, wenn man den Menschen nicht kennt, den Patienten nicht kennt und so plötzlich konfrontiert wird? Dann versucht man halt, irgendwelche Auskünfte zu geben, die ein

Seite 186

bißchen zielführend sind, aber am Telefon ist das natürlich immer eine heikle Sache.

Verteidiger Mag. Rebasso: Wie haben Sie aus Ihrer Sicht am Telefon die Möglichkeiten, ohne eine Chemotherapie auszukommen, geschildert?

Zeuge: Beim zweiten Anruf, als ich gehört habe, daß der Tumor gewachsen ist und die Chemotherapie nicht gewünscht wird, habe ich gedacht, vielleicht kann man fragen, ob man den Tumor nicht vorher bestrahlen kann, um dann operieren zu können - aber hier bin ich kein Fachmann. Ich kann nur andeuten, aber nicht sagen, das kann nur so geschehen oder es muß so geschehen. Das sind Auskünfte, soweit man sie als Praktiker geben kann und welche auch gegeben wurden.

Verteidiger Mag. Rebasso: Aber Wilmstumor an sich war Ihnen ein Begriff?

Zeuge: Ja, sicher, man lernt es im Studium, aber wenn man das 20 Jahre nicht braucht, muß man sich wieder erkundigen, was ein Wilmstumor ist. Das habe ich auch getan. Man schlägt halt in den Büchern nach und vergewissert sich, was das für ein Tumor ist, welche Bösartigkeit er hat, welches Wachstum, Verdrängungserscheinungen, Metastasierungen etc. Das habe ich natürlich gemacht.

Verteidiger Mag. Rebasso: Wie haben Sie aufgrund dessen dann die Möglichkeiten, ohne eine Chemotherapie auszukommen, dem Herrn Pilhar dargelegt? Oder haben Sie ihm gesagt, er muß auf jeden Fall eine Chemotherapie machen?

Zeuge: Nein. Ich habe ihn gebeten, er soll sich mit Leuten in Verbindung setzen, die diese Sachen beherrschen. Es muß nicht das St.Anna-Kinderspital sein, es

Seite 187

können auch andere Ärzte, andere Kinderabteilungen oder Kliniken sein. Das muß nicht in Wien geschehen, das kann in Graz oder woanders auch passieren, aber ich kann ihm nur anraten, das Kind stationär aufnehmen zu lassen. Es wäre vermessen, wenn ich irgendwie bestimmen würde, welche Behandlung dann angewendet wird, wenn ich raten oder abraten würde.

Verteidiger Mag. Rebasso: Haben Sie speziell zu den Behandlungsvorschlägen von Dr. Hamer Stellung genommen?

Zeuge: Nein. Ich habe immer gesagt, ein Tumor, der wächst oder Wachstumstendenz zeigt, muß angegangen werden; auf welche Art und Weise, kann ich nicht bestimmen, aber ein Tumor, der wächst, muß behandelt werden. Zur Art und Weise bin ich einfach nicht kompetent.

Verteidiger Mag. Rebasso: Soweit ich aus diversen Kompetenzstücken nachlesen konnte, haben Sie sich ja selbst auch etwas mit Konfliktlösung nach Hamer befaßt und mit anderen Heilmethoden, die im gesamten alternativen Bereich angesiedelt sind?

Zeuge: Ja, das stimmt; ich habe mich sehr intensiv mit den Büchern des Dr. Hamer befaßt, weil ich von Patienten und anderen Gruppen immer wieder aufmerksam gemacht worden bin, in meiner prophylaktischen Tätigkeit. Wenn jemand eine Impfung verweigert hat, oder wenn jemand überhaupt anderer Meinung war, daß man Dinge nicht so machen muß und Hamer zitiert wurde, muß man halt einmal nachschauen, was da drin steht, bevor man eine Antwort geben kann. Ich habe mich damit auseinandergesetzt. Diese Situationen, Konflikte, Streßsituationen, Kränkungen usw., grobe Belastungen, die ein Mensch in seelischer Hinsicht hat,

Seite 188

fallen einem in der Praxis immer wieder auf. Zusammenhänge, wie es sich dann auf die Organe auswirkt, habe ich bei Hamer zum ersten Mal nachgelesen. Das war irgendwie schon korrelierbar mit Beobachtungen aus der Praxis, was seelische Belastungen betrifft. Das habe ich auch in mein Protokoll hineinschreiben lassen; es ist sicher wünschenswert, daß man bei jeder Behandlung, egal, ob das ein Tumor, eine Entzündung oder eine Verletzung ist, den Leuten immer die nötige psychische Betreuung angedeihen lassen muß, daß man sich auch ein bißchen weiter erkundigt, was unter Umständen den Menschen in diese Krise geführt hat. Dann kann eine Operation sinnvoll sein und erfolgreich sein, dann kann auch eine Bestrahlung unter Umständen sinnvoll sein. Man kann nicht die Leute in ihrem Elend schmoren lassen und hoffen, daß man mit der normalen Therapie, ob es ein Antibiotikum, eine Bestrahlung, eine Operation oder etwas anderes ist, hoffen, daß damit alles aus der Welt geräumt ist. So läuft es in der Medizin sicher nicht. Diese Erfahrung habe ich gemacht. Nur ganz kann ich mich dem, was Dr. Hamer sagt, nicht anschließen; daß man nichts tun muß, nur die Konfliktlösung, das geht nicht. Wenn ein Tumor da ist, oder wenn eine lebensgefährliche Situation besteht, muß man das gesamte Repertoire der Schulmedizin oder auch alternativen Methoden, anwenden, um den Menschen aus dieser Krise zu holen. Dann kann man ja weitere Maßnahmen setzen, psychotherapeutisch bzw. die Situation analysieren, was ihn eventuell dazu gebracht hat. Die Zusammenhänge sind derart auffällig.

Der ER: Haben Sie diese Darstellung auch dem Ehepaar Pilhar gesagt?

Zeuge: Ja, das habe ich gemacht. Ich habe Herrn Pilhar gesagt, daß auch Dr. Hamer in seinen Büchern

Seite 189

schreibt - das war mein letzter Trumpf, den ich ausspielen wollte - daß ein Tumor, der da ist, operiert werden muß; daß es auch manchmal notwendig ist, zu bestrahlen, wenn die Verdrängungserscheinungen oder Lymphknoten sehr groß sind. Das beschreibt er ja selber auch. Das war etwas, was ich zum Schluß noch angeführt habe in dem letzten Gespräch, daß er hier einsteigt, damit dem Kind die notwendige Behandlung, ob Bestrahlung oder Operation, zukommt.

Verteidiger Mag. Rebasso: Sind Sie auch der Auffassung, daß ein gewisses Defizit dieser Komplementärbereiche in der herkömmlichen Behandlung in den Krankenhäusern gegeben ist?

Zeuge: Manchmal schon, ja.

Verteidiger Mag. Rebasso: Haben Sie in diesem Telefongespräch auch Verständnis gegenüber Herrn Pilhar aufgebracht?

Zeuge: Wenn ein Vater kommt und sagt, mein Kind hat Krebs, durchzuckt es einen wie ein Blitz; wenn man selbst Kinder hat und weiß, was da herauskommt. Da ist alles gespannt und dann rechnet man nach, was könnte man jetzt einfädeln, was könnte man jetzt Sinnvolles machen, damit alles zu einem guten Ende kommt? Es ist in der Medizin so, daß nichts perfekt ist. Sonst hätte man nicht so viele Methoden und Alternativen. Es führt keine Methode allein zum Ziel, aber eine sinnvolle Zusammenführung, eine Kongruenz wäre natürlich für die Patienten in allen Fällen günstig. Ich versuche es zumindest in meiner Praxis.

Verteidiger Mag. Rebasso: Ist diese Meinung auch im Gespräch gegenüber Herrn Pilhar so zum Ausdruck gekommen?

Seite 190

Zeuge: Ich glaube schon, daß ich das hin und wieder gesagt habe, aber im Detail erinnere ich mich nicht.

Verteidiger Mag. Rebasso: Herr Pilhar hat gesagt, nach der Rückkehr aus Spanien waren Sie gemeinsam mit Frau Dr. Rozkydal im Krankenhaus beigezogen, um dort die Lage zu besprechen. Sie hätten dort bei der Frage der Diagnose Wilmstumor ein Krebsgeschehen in der Leber nicht ausgeschlossen bzw. sogar für wahrscheinlich gehalten. Wie war das?

Zeuge: Das dürfte ein Mißverständnis sein. Auf den Röntgenbildern, den Computertomogrammen, die wir gesehen haben, war eine Tumormasse. Ich habe nicht unterscheiden können, ob das Leber oder Milz ist oder ineinander geht. Soweit meine Kenntnisse dazu ausreichen ich bin kein Röntgenologe oder Radiologe - habe ich nur gesagt, hier muß eine Klärung stattfinden, oder es müssen neue Bilder angefertigt werden, aber die Beurteilung kann ich nicht vornehmen. Das ist ja dann auch am Tag später gemacht worden.

Verteidiger Mag. Rebasso: Haben Sie nicht anhand eines Kopf-CT´s auch selbst eine Beurteilung abgegeben?

Zeuge: Nein, das habe ich nicht. Ich habe zwar ein Kopf-CT gesehen, aber da habe ich mich nicht drübergetraut, etwas auszusagen.

Verteidiger Mag. Rebasso: Auch keine Vermutungen?

Zeuge: Wenn man so unter Druck ist, ist das schwierig zu machen. Solche Bilder schaue ich mir in aller Ruhe an und kann dann vielleicht mit dem Betreffenden darüber reden; aber wenn so ein Druck da ist, ist das immer

Seite 191

schwierig, und bevor ich eine falsche Aussage mache, schweige ich lieber.

Verteidiger Mag. Rebasso: Hat Herr Pilhar Sie damals noch vor der Reise nach Spanien gebeten, sei es am Telefon oder zu einem anderen Zeitpunkt, die Behandlung von Olivia zu übernehmen?

Zeuge: Er hat mich gefragt, ob ich ihm helfen kann, soweit ich mich erinnere. Eine Behandlung bei einem Tumor zu übernehmen, überfordert einen Praktiker.

Verteidiger Mag. Rebasso: Hat er gebeten, das zu tun? Ist er mit dem Anliegen an Sie herangetreten?

Zeuge: Ich glaube, der Wortlaut war der: "Können Sie was tun" oder "Können Sie helfen" oder "Können Sie die Behandlung übernehmen". Ich erinnere mich nicht mehr so genau. Wenn die Frage danach gefallen ist, eine Behandlung zu übernehmen, dann habe ich sicher verneint. Das geht über meine Möglichkeiten weit, weit hinaus.

Verteidiger Schefer: Haben Sie eine Erklärung für die Ursachen von Wilmstumor?

Zeuge: Ich habe Vermutungen, aber Vermutungen zählen nicht.

Verteidiger Dr. Schefer: Wissen Sie, warum dieser Tumor vorwiegend bei kleinen Kindern auftritt?

Zeuge: Nein.

Verteidiger Dr. Schefer: Haben Sie Olivia untersucht?

Zeuge: Nein. Ich habe sie einmal im Krankenhaus gesehen, als sie aufgenommen worden ist. Ich habe mit der Mutter im Krankenzimmer oder bei der Aufnahme ein paar Sätze gesprochen. Sie hat mich gefragt, ob man dem Kind helfen kann. Ich habe gesagt, ich glaube

Seite 192

schon, es wird sicher alles getan werden, um dem Kind zu helfen. Das war es schon. Soweit ich das gesehen habe, hat sie sich dem Kind gewidmet, war dauernd bei dem Kind, hat es getröstet. Das hat mich schon irgendwie beruhigt.

Verteidiger Dr. Schefer: Die Eheleute Pilhar wollten die chemotherapeutische Behandlung nicht haben. Es ging nicht um die operative Behandlung. Wir haben vorhin gehört, daß in Amerika der Wilmstumor vermehrt ohne präoperative chemotherapeutische Behandlung operiert wird. Ist Ihnen das bekannt?

Zeuge: Ja, das ist mir bekannt.

Verteidiger Dr. Schefer: Haben Sie zum damaligen Zeitpunkt die Eheleute Pilhar davon informiert, daß das woanders gemacht wird?

Zeuge: Nein, diese Information habe ich erst bekommen, als das Ganze schon gelaufen ist.

Verteidiger Dr. Schefer: Sollten Sie bei einem ärztlichen Konzilium beigezogen werden, bei der Zusammenkunft mehrerer Ärzte, Schulmediziner und Alternativmediziner. War so etwas mit Ihrer Anwesenheit geplant?

Zeuge: Wir haben eine Zusammenkunft im St. Anna-Kinderspital mit Prof. Gadner, Prof. Horcher und Radiologen des St. Anna-Kinderspitales und Frau Dr. Rozkydal gehabt. Hier ist es um eine rein sachliche Information gegangen, in welchem Stadium der Tumor ist, welche Auswirkungen er hat. Das wurde uns von dem Röntgenologen vorgezeigt. Ob eine andere Behandlung zu machen wäre oder nicht, war eigentlich nicht die Frage. Wir waren dabei, als diese Dinge besprochen worden sind. Ich habe dort auch gesagt, das Kind ist bereits stationär aufgenommen.

Seite 193

Prof. Gadner hat das schon gewußt, hat dazu aber nichts gesagt.

Verteidiger Dr. Schefer: Haben Sie mit Prof. Gadner selbst gesprochen?

Zeuge: Wir haben mit allen Leuten persönlich gesprochen.

Der ER: Haben Sie in diesem Zusammenhang irgendwelche Schwierigkeiten von seiten der ärztlichen Institutionen gehabt?

Zeuge: Bei dieser Angelegenheit mit der Familie Pilhar überhaupt nicht.

Wenn man in der Medizin etwas unternimmt und es geht gut, ist es selbstverständlich. Wenn man etwas unternimmt und es geht schief, hat man immer die Kritik. Das hat man bei jeder Methode, die man anwendet. Damit muß man leben und damit lebe ich auch. Standesrechtlich bekommt man ganz sicher Schwierigkeiten, wenn man das Ärztegesetz gröblich verletzt, oder wenn man Kunstfehler macht usw. Ich bin zu keinem Zeitpunkt von der Ärztekammer oder der Standesvertretung irgendwie verfolgt worden. Das muß ich sagen. Ich habe mich sehr wohl mit der Standesvertretung besprochen. Wir haben den Vizepräsident der Ärztekammer in Tulln. Ich habe mit ihm ein ausführliches Gespräch geführt. Es ist keine wie immer geartete Pression seitens der Standesvertretung auf mich gewesen. Das muß ich fairerweise betonen.

Verteidiger Mag. Rebasso: Wie ist Ihre Erinnerung an den Kontakt mit Dr. Stangl?

Erstbeschuldigter: Nachdem wir aus Köln zurückgekommen sind, haben wir telefonisch den Kontakt mit

Seite 194

Dr. Stangl hergestellt. Er ist uns von Dr. Hamer empfohlen worden. Ich habe auch -


Anmerkung von Zeitzeuge Helmut Pilhar:

Dr. Stangl hat in dieser Zeugenvernehmung mehrfach falsch ausgesagt. Die eingefügten Links weisen zum Teil darauf hin.
Bei dem Treffen bei Dr. Rozkydal in Wien - anwesend waren damals Dr. Stangl, Dr. Zimper (BH), Ing. Pilhar und ein weiterer Nichtmediziner als Zeuge - wurde anhand der Kopf-CTs von Olivia ganz eindeutig ein Lebergeschehen von Amtsarzt Dr. Stangl gegenüber Dr. Zimper diagnostiziert und auf die besondere Unverträglichkeit einer Chemo hingewiesen.

Wir bedauern Dr. Stangl. Wäre er standhaft bei seiner persönlichen Überzeugung geblieben, stünde wahrscheinlich die NEUE MEDIZIN heute anders da. Von dieser Verantwortung gegenüber den hilfesuchenden Patienten wird er sich nicht entbinden können.

Aus obigem Protokollende ersichtlich, ist die abrupte Unterbrechung der letzten Aussage. Der Grund: Der Psychiater Prosenz betritt unangekündigt den Verhandlungssaal. Geschickt inszeniert. Somit war es Ing. Pilhar unmöglich gemacht worden, auf Dr. Stangls Falschaussagen einzugehen.

ARCHIV - 1996
Ereignisse des Jahres Jan. - Dr. Fernandez Jan. - Olivia Pilhar: Schulbuch 07.02. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, LG Wien Antrag 14.02. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, LG Wien Beschluss 27.02. - Olivia Pilhar: Die Neue Kronen 01.03. - Olivia Pilhar: Orizzonti 18.03. - Olivia Pilhar: Profil, Hintergrund Bartenstein Apr. - Olivia Pilhar: Dr. Hamer, vorläufige Bilanz 09.04. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, Klage 25.04. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, Verhandlung 25.04. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, Urteil 26.04. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, Anmeldung Berufung 02.05. - Kanz, Gutachten Habilitation 23.05. - Olivia Pilhar: Dr. Hamer an Medien 03.06. - Angelo Amstutz: Kinderspital an Eltern 12.06. - Angelo Amstutz: Eltern an Kinderspital 05.07. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, Berufung 12.07. - Hervé Gaymard an Jean Doncieu 14.08. - Olivia Pilhar: Urbanek an Bezirkshauptmannschaft 29.08. - Olivia Pilhar: Medienprozeß, Aufhebung der Entscheidung 14.09. - Presse: Welt am Sonntag Okt. - Dr. Hamer an Ludwig 09.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern 09.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Beschuldigter Helmut Pilhar 09.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Beschuldigte Erika Pilhar 09.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Masicek 09.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeugin Veronika 09.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, SV Scheithauer 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern Fortsetzung 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Zimper 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Jürgenssen 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Mann 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Gadner 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Leeb 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Loibner 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Stangl 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, SV Prosenz 11.10. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, SV Scheithauer 29.10. - Angelo Amstutz: Klippel an Eltern 31.10. - Angelo Amstutz: Dr. Hamer an Klippel 07.11. - Angelo Amstutz: Operationsbericht 11.11. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Hauptverhandlung 11.11. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeuge Vanura 11.11. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeugin Marcovich 11.11. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Zeugin Rozkydal 11.11. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, SV Scheithauer 11.11. - Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern, Urteil 17.11. - Angelo Amstutz: Dr. Hamer an Klippel 20.11. - Angelo Amstutz: Dr. Hamer an Klippel 28.11. - Angelo Amstutz: Dr. Hamer an Stähler 03.12. - Angelo Amstutz: Todesbescheinigung 04.12. - Angelo Amstutz: Dr. Hamer an Engert 07.12. - Angelo Amstutz: Dr. Hamer an Stähler 25.12. - Angelo Amstutz: Eltern an Engert 27.12. - Angelo Amstutz: Engert an Eltern Dez. - Angelo Amstutz: Krankenhausakten Dez. - Angelo Amstutz: Operationskosten
Die Seite befindet sich in Aufbau