Herr Max L. per Email an die Parteien Deutschlands
05.08.2002
Betr.: Neue Medizin nach Dr. Hamer
Sehr geehrte Damen und Herren, am 22. September sind Bundestagswahlen. Da ich noch unentschlossen bin möchte ich mich bei ihnen über ihre Haltung zu der sogenannten Neuen Medizin informieren.
Dr. Hamer verlangt seit Jahren die Überprüfung seiner Erkenntnisse unter anderem an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen.
Ist ihre Partei für oder gegen eine solche Überprüfung? Würde ihre Partei öffentlich für eine Überprüfung eintreten, wenn sie von einer Universität verwehrt würde? Würde ihre Partei versuchen die rechtlichen Grundlagen schaffen um die Überprüfung von neuen Heilmethoden, bei der Prüfungsablehnung der Universität, zu erzwingen?
Ich freue mich auf Ihre Antworten
PDS an Herrn L.
Von: "Parteivorstand der PDS" <parteivorstand@pds-online.de>
Betreff: Überprüfung von neuen Heilmethoden
CC: "Ruth Fuchs" <ruth.fuchs@bundestag.de>
Datum: 05/08/02 18:17:21
Sehr geehrter Herr ,
mit der Beantwortung Ihrer Frage bin ich persönlich leider überfordert und schicke Ihre Email daher weiter an unsere gesundheitspolitische Sprecherin im Bundestags, Ruth Fuchs.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Gohde
Bundesgeschäftsstelle - Bereich Parteileben/Organisation
www.sozialisten.de
www.pds2002.de
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Sehr geehrter Herr L.,
Ihre Mail an den Parteivorstand der PDS wurde mir mit der Bitte um Beantwortung übergeben.
Für die PDS ist die Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der Gesundheit der Menschen - und damit die Gesundheitspolitik - angesichts der gerade auf diesem Gebiet zunehmenden Fehlentwicklungen und eines weiter drohenden Sozialabbaus ein zunehmend wichtiges Politikfeld. Wir haben dafür entsprechende Konzepte entwickelt, die auf tiefgreifende Veränderungen des Gesundheitssystems zielen.
Was die Wissenschaft und damit auch die Medizin betrifft, so vertreten wir die Auffassung, dass rational begründete Denk- und Verfahrensweisen bestimmend sein müssen. Wissenschaftliche Erkenntnisse finden bekanntlich dann allgemeine Anerkennung, wenn sich die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft von ihrer Richtigkeit überzeugt hat.
Dabei dürfen weder Einflüsse der Pharmaindustrie maßgeblich sein, noch sollten politische Parteien in wissenschaftliche Klärungsprozesse eingreifen wollen. Wissenschaft muss unabhängig sein, ihre Meinungsbildung kann nicht von außen erzwungen werden.
Als Anlage erlaube ich mir, Ihnen die gesundheitspolitischen Positionen der PDS zu übermitteln.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ruth Fuchs
gesundheitspolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion
SPD an Herrn L.
SPD
Von: "Dr. Jan-Olaf Piontek" <piontek@spdfraktion.de>
Betreff: Ihre E-Mail vom 5.8.2002
Datum: 06/08/02 17:57:32
Sehr geehrter Herr L.,
hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer E-Mail. Leider muss ich Ihnen
mitteilen, dass mir die Therapie nach Dr. Hamer kein Begriff ist. Ich moechte Ihnen an dieser Stelle unabhängig hiervon kurz das Verfahren der Zulassung neuer Therpieverfahren schildern. Die Bewertung wird für die gesetzliche Krankenversicherung durch ein gesetzlich bestimmtes Fachgremium, den Bundesauschuss Ärzte/Krankenkassen vorgenommen. Im Rahmen dieser Bewertung müssen alle aktuellen Studien, Erkenntnisse verwandt werden. Eine Kostenübernahme für eine neue Behandlungsweise kann nur nach Zustimmung dieses Gremiums erfolgen.
Ich bitte um Verständnis, dass die SPD Bundestagsfraktion keine pro oder contra Positionen gegenüber der Behandlungsmethode von Herrn Dr. Hamer vornehmen kann, da sie keine medizinisch-fachliche Kompetenz besitzt.
MfG
Dr. Jan-Olaf Piontek
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Von: "Trautner, Jörg" <Joerg.Trautner@spd.de>
Betreff: WG: [E-Mail direkt]
Datum: 10/09/02 11:54:12
Sehr geehrter Herr ,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die SPD tritt dafür ein, dass zur Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen evidenzbasierte Anforderungskriterien eingeführt werden, an den alte und neu Medizin sich messen lassen sollen. Hierzu werden wir ein Nationales Institut für Qualität in der Medizin einrichten, welches evidenzbasierte Leitlinien und Kosten-Nutzen-Analysen neuer Arzneimittel und Verfahren, erstellt soll.
Das deutsche Gesundheitssystem ist durch gravierende und anhaltende Qualitätsprobleme geprägt. Diese gehen zu einem großen Teil auf Strukturprobleme zurück, deren Lösung Ziel jeder qualitätsorientierten Reform sein muss. Die Probleme sind so ausgeprägt, dass auch eine allein auf Kostenstabilisierung ausgelegte Reform wahrscheinlich nicht ohne die Lösung dieser Probleme auskommen könnte.
Für fast alle chronischen und akuten Erkrankungen fehlt es an auf Evidenz basierten Leitlinien, durch die sich ein Arzt oder ein Patient darüber informieren kann, welche Behandlungsverfahren für eine Diagnose überhaupt durch Studien gesichert werden konnten. Die von den Fachgesellschaften entwickelten Leitlinien entsprechen in fast allen untersuchten Fällen nicht dem methodischen Standard, der den Einsatz einer solchen Leitlinie in der Behandlung von Patienten rechtfertigen könnte.
Eine notwendige Voraussetzung für jede Qualitätsorientierung von Gesundheitsreformschritten und deren Umsetzung ist die Entwicklung von methodisch einwandfreien, in ihrer Erstellung von Industrieinteressen völlig unabhängigen und auf Evidenz basierten Leitlinien. Nur durch solche Leitlinien kann ein Arzt die eigene Qualität kontrollieren, kann ein Patient die ihm angebotene Behandlung bewerten und kann die Selbstverwaltung die Richtigkeit der von ihr unternommenen einzelnen Strukturveränderungen prüfen. Durch Leitlinien erst kann die Frage beantwortet werden, welche Reformschritte in die Richtung einer besseren Prozess- und Ergebnisqualität führen.
Es sollte ein Nationales Institut für Qualität in der Medizin geschaffen werden, welches die wichtigsten Instrumente der Qualitätssicherung, Mindestmengenanalysen, evidenzbasierte Leitlinien und Kosten-Nutzen-Analysen neuer Arzneimittel und Verfahren, erstellt. Damit das Institut nicht zu einer großen Behörde auswächst, sollten die entsprechenden Analysen für Experten aus der klinischen Praxis ausgeschrieben werden, so dass diese mit der methodischen Unterstützung der im Institut tätigen Wissenschaftler entsprechende Gutachten erstellen können. Dabei müssen alle Verbindungen der Experten zur pharmazeutischen Industrie und zur Medizinproduktindustrie offengelegt werden. Repräsentanten von Fachgesellschaften oder ähnlichen Interessensgruppen sind vom Verfahren auszuschließen. Die Bundesausschüsse der Selbstverwaltung, welche diese Instrumente einzusetzen haben, müssen auf eine rechtlich robuste Grundlage gestellt werden und um eine direkte Vertretung der Patienten erweitert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Trautner
SPD-PV
Referat Sozial- und Gesundheitspolitik
CDU an Herrn L.
Von: "Behrendt, Lisa" <lisa.behrendt@cdu.de>
Betreff: Ihre E-Mail vom 5. August 2002
Datum: 09/08/02 07:29:04
CDU-Bundesgeschäftsstelle
Klingelhöferstraße 8
10785 Berlin
Per E-Mail:
Berlin, 8. August 2002
Fachbereich Sozial- und Gesellschaftspolitik
Albert Markstahler
Telefon: 030 / 220 70-331
Telefax: 030 / 220 70-319
E-mail: albert.markstahler@cdu.de
Sehr geehrter Herr,
für Ihre E-Mail 5. August 2002 danke ich Ihnen.
Unter der Überschrift "Vorfahrt für die Selbstverwaltung" hat die unionsgeführte Bundesregierung im Rahmen der 3. Stufe der Gesundheitsreform des Jahres 1997 bewusst der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen beispielsweise die Kompetenzen für die Ausgestaltung des Leistungskatalogs der GKV zugewiesen. Wenn man diesen Grundsatz ernst nimmt, kann die Politik auf der anderen Seite nicht ohne erheblichen Anlass Entscheidungen öffentlich kritisieren.
Ich bitte aus grundsätzlichen Überlegungen um Verständnis, dass wir unabhängig vom konkreten Einzelfall unsere politische Linie der Entscheidungskompetenz der Selbstverwaltung nicht verlassen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Albert Markstahler
Grünen an Herrn L.
Bündnis 90/Die Grünen
Von: Katrin Goering-Eckardt <katrin.goering-eckardt@bundestag.de>
Betreff: Neue Medizin
Datum: 29/08/02 16:25:20
Bündnis 90/Die Grünen ist die Partei, die sich nachhaltig dafür einsetzt, die besonderen Therapieeinrichtungen im Leistungskatalog zu verankern. Voraussetzung ist, dass diese wie bei allen Behandlungsmethoden wirksam und wirtschaftlich sind. Da dies von vielen durchaus gewährleistet wird, besteht kein Grund diese bei der Erweiterung der Leitlinien zu vernachlässigen. Trotzdem werden wir als Bundestagsfraktion die Entwicklung der Leitlinien genau beobachten, da wir der Meinung sind, dass gerade die besonderen Therapierichtungen einen wesentlichen Beitrag zur Genesung tragen können.
Die verstärkte Förderung der Forschung über die Wirksamkeit alternativer Heilmethoden wird von uns ausdrücklich unterstützt. Die Entscheidung über die einzelnen Forschungsprogramme der Universitäten obliegen aber der Freiheit der Forschung und Lehre.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Maicher
Mitarbeiter