Olivia Pilhar: Medienprozeß Pilhar ./. TV-Media
wegen „Randalieren“ – HAUPTVERHANDLUNG

Aktenzeichen

31 E Vr 75/97
31 E Hv 1/97

Hauptverhandlung

Gericht: LG St. Pölten

Tag und Stunde des Beginnes der Hauptverhandlung: 23.5.1997, 13.00 Uhr

Strafsache: TV-Media VerlagsgesmbH wg. §6, 8A, 33, 34 MedienG, § 111 Abs. 1 und 2 StGB

Anwesende:
Einzelrichter: Dr. Dietmar Krenn
Schriftführer: VB Gertrude Schwab

Antragsteller:

Ing. Helmut Pilhar

Vertreter des AG:

Mag. Erich Rebasso
Dr. Rudolf Gürtler

Antragsgegnerin:

TV-Media VerlagsgesmbH

Vertreter der Antragsgegnerin:

Dr. Peter Zöchbauer

Der Schriftführer ruft die Sache auf.

Die Verhandlung ist öffentlich.

Zeuge Dr. Hannes Vanura gibt nach WE vern. an:

geboren am 11.8.1930
Kinderarzt
Prim. in Pension
wh. 3130 Tulln, Freldgasse 28.

Ich war damals Leiter der Kinderabteilung des Krankenhauses Tulln.

Olivia war von Dienstag bis Samstag in unserem Spital, der Antragsteller von Dienstag bis Freitag. Er war sehr angespannt, hat sich im Prinzip aber immer korrekt verhalten.

Man muss ja berücksichtigen, dass etwas geschehen ist, was gegen den Willen des AS war. Er war bis an die Grenze der Möglichkeiten angespannt, er war aufgeregt, ist schnell gegangen, hat schnell gesprochen und war in seiner Wortwahl nicht zimperlich. Der AS war nie aggressiv gegen mich oder andere Personen, er hat auch nicht mit Gegenständen herumgeworfen. In meiner Anwesenheit hat der AS auch nicht mit Aggressionen gegen andere Personen gedroht. Es muss aber einen solchen Vorfall gegeben haben, ansonsten hätte wohl der Pflegschaftsrichter das Besuchsverbot gegen den AS am Freitag nicht verhängt.

Der AS ist verbal aggressiv geworden, indem er seine Gattin angewiesen hat, sie möge vor das Krankenhaus gehen und dort lauthals schreien, dass hier ihr Kind umgebracht werde. Er hat auch gedroht, er werde allen Patienten davon Mitteilung machen.

Ich kann mich an den genauen Wortlaut, den der AS verwendet hat, nicht mehr erinnert. Uns war wichtig, dass wir Olivia möglichst gut behandeln können.

Wir haben dem AS auf Grund seiner Ausnahmesituation manches zugestanden, was wir einem „normalen“ Menschen nicht verzeihen würden. Als randalieren würde ich das Verhalten des AS in meiner Anwesenheit nicht bezeichnen.

Daß die Situation offenbar kritisch war, ergibt sich aber auch daraus, daß am Donnerstag sowohl der Bezirkshauptmannstellvertreter als auch der Amtsarzt ins Krankenhaus Tulln gekommen sind, um sofort sowohl rechtlich als auch medizinisch eingreifen zu können. Auch diese beiden Herren hat der AS aber nicht attackiert.

ASV: War der Amtsarzt von Beginn an dort?

Zg.: Die Anwesenheit des Amtsarztes Dr. Stangl war vor dem Donnerstag nicht erforderlich, da bis Mittwoch abends die Voruntersuchungen gemacht wurden und Ing. Pilhar noch am Abend seine Einwilligung zur Behandlung gegeben hat. Erst als er am Donnerstag diese Einwilligung widerrufen hat und behauptete, er sei überfahren worden, hat sich die Sache zugespitzt.

Ich stand bereits am Dienstag mit Dr. Stangl in telefonischem Kontakt, er hatte vermittelt, daß das Kind zu uns kam und wurde gemeinsam mit dem BH-Stellvertreter zum Krankenhaus gerufen, um bei einer überschießenden Reaktion des AS sofort eingreifen zu können. Er wurde nicht nur als Integrationsfigur geholt um vermitteln zu können.

Auf Frage des ASV:

Am Anfang waren sehr viele uns nicht bekannte Personen auf Besuch. Diese haben Unruhe gebracht, weshalb wir eine Besuchssperre verhängten. Solange alles in Richtung Zustimmung zur Behandlung lief, war für uns kein Grund einzugreifen. Erst als am Donnerstag der AS seine Zustimmung widerrief, mußten wir damit rechnen, daß er versuchte, mit Olivia das Spital zu verlassen, was nicht zulässig gewesen wäre.

Die Vorsichtsmaßnahmen bezogen sich sowohl auf die Personen des AS als auch auf sonstige Hamer-Schüler.

Auf Frage des AGV:

Zg.: Ob Ing. Pilhar in meiner Anwesenheit angedroht hat, er werde Olivia vom Krankenhaus Tulln entfernen, kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Es wurde alles mögliche besprochen bis zum Extrem, daß er behauptete, sein Kind werde hier umgebracht.

Zeuge Dr. Heinz Zimper gibt nach WE vern.an:

geboren am 25.11.1955
Beamter
2345 Brunn am Gebirge
Dr. Karl Dorrgasse 2
fremd

Ich war jedenfalls von Mittwoch bis Samstag täglich im Krankenhaus Tulln, möglicherweise auch schon am Dienstag.

Das Verhalten von Ing. Pilhar schildere ich als äußerst besorgt, phasenweise sehr erregt. Manchmal war er freundlich und kommunikativ, dann wiederum fanatisch.

An einen Vorfall, bei welchem Ing. Pilhar lautstark herumgebrüllt hätte, kann ich mich nicht erinnern. Er hat am Freitag, als seine Gattin vom Pflegschaftsrichter einvernommen wurde, aber an die Türe getrommelt und ihr zugerufen, sie solle nichts sagen und nichts unterschreiben.

Ich glaube mich zu erinnern, daß der AS in das Vernehmungszimmer herein wollte und von Gendarmeriebeamten daran gehindert wurde. Ein Handgemenge oder eine Schlägerei hat es dabei nicht gegeben.

Die Situation war emotional sehr angespannt und haben sehr viele Leute angerufen, die unter anderm auch behauptet haben, sein Kind werde in diesem Krankenhaus vergiftet.

Die Situation hat sich sehr aufgeschaukelt, da für jede Infusion eine Überredungskunst notwendig war.

Der AS sagte mir, daß er mit einer Chemotherapie nicht einverstanden sei und daß er, sollte eine solche durchgeführt werden, an die Fenster trommeln werde.

Dr. Marady hat meinen AV vom Donnerstag, dem 27.7. richtig wiedergegeben (Seite 4 des Protokolls vom 4.4.1997). Tatsächlich ist es aber zu derartigen Maßnahmen oder Aktionen nicht gekommen.

Der AS hat also in meiner Anwesenheit niemanden bedroht und ist auch tatsächlich nicht aggressiv gegen jemanden geworden. Er hat auch nicht mit Gegenständen um sich geworfen oder damit gedroht.

Wenn ich gefragt werde, ob ich das Verhalten des AS als „randalieren“ bezeichnen würde, so ging nur der eine Vorfall, als er gegen die Türe des Vernehmungszimmers getrommelt hat, in diese Richtung. Andere Verhaltensweisen, die man dem Wort Randalieren unterstellen könnte, hat er nicht gesetzt.

Über Frage des ASV:

Ich habe gesagt, daß der AS an die Türe getrommelt und nicht geklopft hat, da ich es als sehr störend und fordernd empfunden habe und es kein höfliches Anklopfen gewesen ist. Überdies war es verbunden mit der Aufforderung nicht auszusagen.

Der AS wollte sich damit Gehör verschaffen. Sicherlich wollte er aber nicht die Türe demolieren oder mit Gewalt eindringen.

In einem Vier-Augen-Gespräch habe ich ihn gefragt, was er tun würde, wenn eine Zwangstherapie begonnen wird. Daraufhin sagte der AS, er würde ein Fenster einschlagen um zu seiner Tochter zu kommen und er würde die Infusionen gewaltsam entfernen. Ob er herausreissen oder entfernen der Infusionsnadeln gesagt hat, weiß ich jetzt nicht mehr. Es waren damals alle beteiligten Personen sehr erregt und angespannt und bis auf das äußerste Limit belastet.

Auf Frage des AGV:

Der AV vom Mittwoch, 26.7.1995 enthält u.a. folgende Passage:

Anwesende Krankenschwestern stellen fest, daß die Situation selbst sehr bedrückt ist. Das Kind hat offensichtlich Schmerzen, die Eltern verweigern jedoch die Zugabe schmerzstillender Mittel. Nur mit Schwierigkeiten konnte eine notwendige Infusion für die Nahrungsmittelaufnahme gegeben werden. Man befürchte im Falle von weiteren Infusionen Ausschreitungen seitens der Eltern (z.B. Entfernen von Nadeln etc.) und die negative Einflußnahme auf das Kind selbst.

Eine derartige negative Einflußnahme war z.B. durch eine fremde deutschsprechende Frau gegeben, die direkt vor dem Kind Dr. Hamer angerufen hat und am Telefon mitteilte „Geerd, du mußt sofort kommen, das Kind stirbt; der Bauch droht zu platzen“. Daraufhin hat Olivia aufgeschrien und zu weinen angefangen.

Der AV stammt von mir und bezieht sich auf Aussagen der Schwestern.

***

Festgehalten wird, daß sich der Zeuge Bengt Pflughaupt mit Telefax wegen eines Auslandaufenthaltes entschuldigt hat.

Einverständlich verlesen werden die Vernehmungsprotokolle des Aktes 31 E Vr 796/96, Hv 27/96, der in kurzem Wege beigeschafft wurde.

Zeuge Ing. Helmut Pilhar gibt nach WE vern.an:

geboren am 25.2.1965
technischer Angestellter
wh. 2724 Hohe Wand
Maiersdorf 221

Dr. Stangl hat als Obmann der wissenschaftlichen Vereinigung der Amtsärzte NÖ die „Neue Medizin“ des Dr. Hamer untersucht und befürwortet. Dr. Stangl wurde im eigentlichen Sinn als Amtsarzt beigezogen. Am Montag vor dem Tulln-Aufenthalt gab es ein persönliches Gespräch zwischen Dr. Stangl, Dr. Zimper und mir, in welchem mir zugesichert wurde, daß Dr. Stangl die medizinische Leitung übernehmen wird, sollte Olivia ins Krankenhaus Tulln gebracht werden. Deshalb haben wir uns entschlossen sie dort hinzubringen. Als ich am Mittwoch ins Krankenhaus kam, war ich entsetzt, daß nicht Dr. Stangl, sondern Dr.Vanura die ärztliche Leitung inne hatte. Ich mußte auch bemerken, daß Infusionen verabreicht wurden. Ich habe Dr. Vanura letztlich dazu gebracht, daß dieser die Entfernung der Infusionen veranlaßt hat.

Natürlich war ich sehr aufgeregt als ich die Infusionsnadel gesehen habe. Zuerst habe ich mit meiner Frau gesprochen, die mir mitteilte, daß Dr. Stangl „den Kopf hat hängen lassen“ und alle Vorschläge von Dr.Vanura befürwortet hat. Daraufhin habe ich Dr. Vanura zur Rede gestellt. Er erklärte mir, ich hätte kein Mitspracherecht mehr. Dies wurde mir in einem Telefonat von Dr. Zimper auch bestätigt. Kurze Zeit nach dem Telefonat noch am Mittwoch sind sowohl Dr. Stangl als auch Dr. Zimper ins Krankenhaus Tulln gekommen. Dr. Vanura ließ schließlich über meine Aufforderung die Infusionen entfernen. Danach fand ein Vier-Augen-Gespräch mit Dr. Zimper statt, in welchem er mich fragte, was ich bei einer Zwangstherapie machen würde. Ich habe gesagt, ich würde ein Fenster einschlagen um zu meinem Kind zu kommen und ich würde sofort wieder versuchen die Wegnahme der Infusionen zu veranlassen. Ich glaube nicht, daß ich gedroht habe, die Infusionen selbst herauszureissen. Dies wäre nicht meine Art. Ich kann auch kein Blut sehen.

Am Mittwoch Abend habe ich die Zustimmung zur Chemotherapie nur erteilt, da ich unter Druck gestanden bin und mir angedroht wurde, daß Olivia ansonsten ohne unser Beisein weitertherapiert würde. Da diese Zustimmung nicht freiwillig von mir erteilt wurde, habe ich sie am nächsten Tag widerrufen.

Ich habe weder jemanden persönlich attackiert noch mit solchen Attacken gedroht. Ich habe auch nicht mit Gegenständen um mich geworfen oder derartiges angedroht. Meine Gattin und ich wurden einzeln vom Pflegschaftsrichter vernommen am Donnerstag. Ich wollte bei diesen Vernehmungen unseren Rechtsbeistand dabei haben. Deshalb wollte ich während der Vernehmung meiner Gattin zu ihr, um ihr zu sagen, sie solle nicht aussagen. Als „trommeln“ habe ich mein Verhalten nicht in Erinnerung. Ich weiß noch, daß ich lauter angeklopft und auch versucht habe die Türe aufzumachen. Ich weiß nicht, ob die Türe damals versperrt war oder nur zugehalten wurde.

Jedenfalls bin ich sofort von einem Polizisten abgedrängt worden, wogegen ich mich aber nicht gewehrt habe. Ich habe die Hände unten lassen. Darüber gibt es auch ein Video.

Ich kann mich nicht erinnern, in einem Telefonat zu meiner Frau gesagt zu haben, daß sie vor das Krankenhaus gehen und schreien solle, daß hier ihr Kind umgebracht wird. Ich habe ihr allerdings gesagt, sie solle bei einer Überstellung von Olivia ins AKH nicht mitfahren.

***

Es werden keine weiteren Anträge mehr gestellt.

Sohin verkündet der Richter das

Urteil

samt den wesentlichen Entscheidungsgründen.

Der AS verzichtet auf ein Rechtsmittel.

Der AGV meldet Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an.

Ende: 14.30 Uhr

Der Einzelrichter
Die Schriftführerin:

ARCHIV - 1997
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