Olivia Pilhar: Medienprozeß Pilhar ./. KURIER
wegen „Einschleusung eines Reporters“ – URTEIL

9cE Vr 3837/96
Hv 2300/96

Gericht: Landesgericht für Strafsachen Wien
Tag und Stunde des Beginnes: 29.11.1996 13.00 Uhr

Strafsachte: gg. KURIER

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat durch den Einzelrichter Mag. Friedrich FORSTHUBER in der Medienrechtsache der Antragsteller 1. Ing. Helmut PILHAR, 2. Erika PILHAR gegen die Antragsgegnerin KURIER Zeitungsverlag und Druckerei GmbH wegen §§ 6 ff. MedienG

nach der am 25.4.1997

in Anwesenheit

der Schriftführerin
VB Margita FELSENSTEIN,

der Antragsteller

1. Ing. Helmut PILHAR,
2. Erika PILHAR,

des Antragstellervertreters

Mag. Erich REBASSO

sowie des Antragsgegnervertreters

Dr. Stefan PROBST

durchgeführten Hauptverhandlung

zu Recht erkannt:

I./

Gemäß § 6 Absatz 1 MedienG hat die Antragsgegnerin den Antragstellern jeweils einen Entschädigungsbetrag von S 30.000,– binnen 14 Tagen zu bezahlen, da im periodischen Druckwerk „KURIER“ vom 3.10.1995 auf Seite 12 unter dem Titel „Aufregung um Bilder von Olivia: Ärzte hatten Fototermine wegen Infektionsgefahr untersagt“ durch die Behauptung, die Antragsteller hätten unter Umgehung der gesundheitlichen Kontrolle, der sich alle Personen, die Olivia besuchten, unterziehen mußten, einen Fotografen zu ihrer Tochter gebracht, das Tatbild der üblen Nachrede gemäß § 111 Absatz 1 und 2 StGB verwirklicht wurde.

II./

Gemäß § 8 a Absatz 6 MedienG wird der Antragsgegnerin aufgetragen, nachstehenden Urteilsinhalt im Sinne des § 13 MedienG unter der Sanktion des § 20 MedienG im periodischen Druckwerk „KURIER“ zu veröffentlichen:

„Im Namen der Republik!

Dadurch, daß im KURIER vom 3.10.1995 auf Seite 12 unter dem Titel „Aufregung um Bilder von Olivia: Ärzte hatten Fototermine wegen Infektionsgefahr untersagt“ behauptet wurde, die Antragsteller Ing. Helmut und Erika PILHAR hätten unter Umgehung der gesundheitlichen Kontrolle, der sich alle Personen, die Olivia besuchten, unterziehen mußten, einen Fotografen zu ihrer Tochter gebracht, wurde das Tatbild der üblen Nachrede verwirklicht und gemäß § 6 Absatz 1 MedienG den Antragstellern jeweils ein Entschädigungsbetrag von S 30.000,– zugesprochen.“

III./

Gemäß § 41 Absatz 1 MedienG iVm § 389 StPO hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

Die Antragsteller Ing. Helmut PILHAR und Erika PILHAR begehrten mit Schriftsätzen vom 2.4.1996 gemäß § 6 Absatz 1 MedienG eine angemessene Entschädigung für die erlittene Kränkung, wobei als tatbildlich die im periodischen Druckwerk „KURIER“ vom 3.10.1995 auf Seite 12 unter dem Titel „Aufregung um Bilder von Olivia: Ärzte hatten Fototermine wegen Infektionsgefahr untersagt“ veröffentlichte Behauptung inkriminiert wurde, die Antragsteller hätten die Umgehung einer Kontrolle, der sich sämtliche Besucher für Olivia PILHAR im Krankenhaus zu unterziehen hatten, durch einen Pressefotografen in fahrlässiger Weise tatkräftig unterstützt. Neben der Zuerkennung einer Entschädigung beantragten die Antragsteller auch Urteilsveröffentlichung und Kostenersatz.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung der Anträge, wobei zunächst Verfristung eingewendet wurde, da die verfahrenseinleitenden Anträge nicht vom bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Rudolf GÜRTLER, sondern von dessen Rechtsanwaltsanwärter Mag. Erich REBASSO unterfertigt worden seien (ON 11). Darüberhinaus wurde der Wahrheitsbeweis sowie der Beweis der Einhaltung der gebotenen journalistischen Sorgfalt gemäß § 6 Absatz 2 Ziffer 2 lit. a und b MedienG angeboten.

Nach Einsicht in den inkriminierten Artikel im periodischen Druckwerk „KURIER“ vom 3.10.1995 (Beilage ./A zu ON 1) sowie die weiters vorgelegten Urkunden, insbesondere „Bild am Sonntag“ vom 1.10.1995 (Beilage ./l zu ON 14), den Vertrag zwischen der Axel Springer Verlag AG und den Antragstellern vom 29.9.1995 (Beilage ./A zu ON 6), Verordnung von Univ.Prof.Dr. URBANEK vom 24.10.1995 (Beilage ./B zu ON 6), Schreiben des Informationszentrums des AKH an Martina PREWEIN (KURIER) vom 7.11.1995 (Beilage ./A zu ON 11), Eidesstattliche Erklärung von Rechtsanwalt Dr. Rudolf GÜRTLER vom 20.8.1995 (Beilage ./A zu ON 14), Gedächtnisprotokoll der Ärztlichen Direktion des AKH (Susanne HAVEL) vom 17.10.1996 (Beilage ./I zu ON 21), Protokoll des „group 4“ Einsatzes im AKH vom 29.9.1995 (Beilage ./II zu ON 21), Erlaß der Ärztlichen Direktion des AKH betreffend Pressekontakte vom 7.4.1995 (Beilage ./I zu ON 32) sowie Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Vertretern von Publikationseinrichtungen (Beilage ./II zu ON 32), sowie Vernehmung der Zeugen Antragsteller Ing. Helmut PILHAR (v. a. in ON 6) und Erika PILHAR (v. a. in ON 14), Prof.Dr. Radvan URBANEK (ON 14 und ON 34), Martina PREWEIN (ON 14), Fred SELLIN (ON 21), HR Mag. Herbert MARADY (ON 21), Karin FEHRINGER (ON 21), Dragan MITROVIC (ON 21), Veronika SCHILCHER (ON 21), Eveline BINDER (ON 28), Susanne HAVEL (ON 28), Ilse SCHMID (ON 28), Prof. Dr. Ernst HORCHER (ON 32) und Prof. Dr. Reinhard KREPLER (ON 32) wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Antragsgegnerin ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerkes „KURIER“.

In der Ausgabe des „KURIER“ vom 3.10.1995 wurde auf Seite 12 unter der Überschrift „Aufregung um Bilder von Olivia: Ärzte hatten Fototermine wegen Infektionsgefahr untersagt“ folgender Artikel veröffentlicht:

„Die Bilder von Olivia, die am Wochenende ein Fotograf der deutschen Zeitung „Bild am Sonntag“ gemacht hat – und die auch in einer österreichischen Tageszeitung abgedruckt wurden – sorgten im AKH für große Aufregung.

Wir hatten alle Fototermine untersagt“, so Olivias Arzt, Prof. Radvan URBANEK, zum KURIER: „Wir wollten nicht, daß das Kind mit Presseleuten in Kontakt kommt. Erstens um ihm unnötige Aufregung zu ersparen und zweitens, weil die Infektionsgefahr bei der Patientin extrem hoch ist. Alle Personen, die Olivia besuchen, unterstehen einer genauen gesundheitlichen Kontrolle, denn wir können nicht riskieren, daß Olivia bei einer Visite infiziert wird.

Diese Kontrolle wurde am Samstag in fahrlässiger Weise umgangen. Mit tatkräftiger Unterstützung der Eltern: Erika und Helmut PILHAR haben – aus welchen Motiven auch immer – den Fotografen zu ihrer Tochter gebracht.“

Olivia PILHAR, die sechsjährige Tochter der Antragsteller, wurde am 18.9.1995 wegen eines Tumors operiert. Einige Tage nach der Operation wurde sie von der Chirurgie zur Kinderklinik des AKH verlegt. Seitens des AKH wurde das Sicherheitsunternehmen „group-4“ damit beauftragt, den Eingangsbereich zum Krankenzimmer von Olivia PILHAR zu überwachen und nur den Besuch von Ärzten und nahen Angehörigen zuzulassen.

Der Journalist der Zeitung „Bild am Sonntag“, Fred SELLIN, plante eine Reportage über Olivia PILHAR, wobei es ihm zunächst gelang, ein Interview mit dem die Operation leitenden Chirurgen Prof.Dr.Ernst HORCHER für den 29.9.1995, 10.00 Uhr, zu vereinbaren (das schließlich auch in „Bild am Sonntag“ vom 1.10.1995 veröffentlicht wurde). Prof. Dr. HORCHER teilte Fred SELLIN bei dessen telefonischer Anfrage auch mit, daß bislang Kontakte von Journalisten mit Olivia PILHAR sowohl von deren Eltern als auch dem Leiter der Kinderklinik abgelehnt worden waren.

Fred SELLIN kam am 29.9.1995 in Begleitung eines Fotografen nach Wien und führte zunächst um 10.00 Uhr das Interview mit Prof.Dr. HORCHER durch. Gegen 14.00 Uhr traf er die Antragsteller und gelang es ihm, deren Widerstände gegen einen Fototermin bei Olivia auszuräumen. Für den Fototermin wurde den Antragstellern vertraglich ein namhaftes Honorar zugestanden (Beilage ./A zu ON 6).

Die Antragsteller wiesen Fred SELLIN jedoch ausdrücklich darauf hin, daß er eine Erlaubnis seitens des AKH benötige. Den Antragstellern war bekannt, daß eine solche Erlaubnis erforderlich war, wobei sie den Leiter der Kinderklinik, Prof. Dr. URBANEK, für entscheidungsbefugt hielten.

In einer Aussendung an sämtliche Klinik- und Institutsvorstände vom 7.4.1995 (Beilage ./I zu ON 32), wies die Ärztliche Direktion des AKH darauf hin, daß entsprechend § 44 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien sämtliche Medienkontakte (Interviews, Auskünfte, Foto- und Filmaufnahmen), die den Krankenhausbetrieb in irgendeiner Form betreffen, vorab dem Pressereferat des Stadtrates für Gesundheits- und Spitalswesen zu melden bzw. die Journalisten direkt an dieses zu verweisen seien; diese Meldungen seien über die Abteilung Informationszentrum der Ärztlichen Direktion durchzuführen. Diese zwingenden Vorschriften fanden auch beim Interview von Fred SELLIN mit Univ.Prof.Dr. HORCHER vom 29.9.1995 insoweit eine Aufweichung, als dieser um die gesonderte Genehmigung dieses speziellen Interviews nicht ansuchte, zumal er es als Fortsetzung der genehmigten Auskunftserteilung für seine Pressekonferenz vom 19.9.1995 ansah.

Da Prof. Dr. HORCHER dem Journalisten Fred SELLIN gegenüber erwähnt hatte, er habe persönlich keine medizinischen Bedenken gegen einen Fototermin bei Olivia, es bestünden jedoch Einwände der Eltern, dachte Fred SELLIN, nachdem er diese ausgeräumt hatte, der beabsichtigte Fototermin gehe auch seitens der AKH-Verantwortlichen in Ordnung.

Der vor dem Krankenzimmer von Olivia PILHAR dienstversehende Sicherheitsbeamte von „group 4“, Dragan MITROVIC, verwehrte jedoch dem Journalisten Fred SELLIN und dem Fotografen den Eintritt und verwies darauf, daß ein Zutritt nur mit Einwilligung des Leiters der Kinderklinik, Prof. Dr. URBANEK, zulässig sei.

Fred SELLIN wandte sich in der Folge an Prof. Dr. HORCHER, der ihn zu Prof. Dr. URBANEK führte. Fred SELLIN stellte sich als Journalist von „Bild am Sonntag“ aus Hamburg vor und verwies darauf, daß er für einen kurzen Fototermin das Einverständnis der Eltern der Olivia PILHAR eingeholt habe.

Unter diesem Aspekt erteilte Prof. Dr. URBANEK schließlich seine Zustimmung.

Prof. Dr. URBANEK bestätigte schließlich auch telefonisch um 15.30 Uhr gegenüber dem Sicherheitsbeamten, daß er zwei Fotografien von Olivia PILHAR (im Krankenzimmer und im Schulzimmer) genehmigt habe, was der Sicherheitsbeamte auch im Tagesprotokoll vom 29.9.1995 vermerken ließ (Beilage ./II zu ON 21).

Aufgrund dieser Genehmigung ließ der Sicherheitsbeamte Fred SELLIN und den Fotografen mit den Antragstellern in Olivia PILHARs Krankenzimmer, aus dem ebenso wie aus dem Schulraum ein Foto zur Veröffentlichung gelangte. Fred SELLIN und der Fotograf waren maximal 10 Minuten bei Olivia.

Nachdem die Fotoreportage in „Bild am Sonntag“ vom 1.10.1995 veröffentlicht worden war, wurde die Ärztliche Direktion des AKH, aber auch Prof. Dr. URBANEK selbst von österreichischen Medien bestürmt, wie es so kurz nach dem Operationstermin bereits zu einer derartigen Berichterstattung kommen konnte.

Prof. Dr. URBANEK, der sich infolge der zu dieser Zeit äußerst zahlreichen Medienanfragen nicht mehr konkret an das Gespräch mit Fred SELLIN und sein auch gegenüber dem Sicherheits beamten erklärtes Einverständnis erinnern konnte, erklärte gegenüber Journalisten, so auch gegenüber Martina PREWEIN vom KURIER, es seien alle Fototermine untersagt gewesen, wobei seine Stellungnahme im inkriminierten Kurierartikel vom 3.10.1995 korrekt zitiert wurde.

Eine inhaltlich gleiche Information gab auch die Ärztliche Direktion des AKH der Journalistin Martina PREWEIN gegenüber ab.

Da Ing. Helmut PILHAR Journalisten gegenüber einige Wochen vorher einmal erwähnt hatte, er werde dem „KURIER“ wegen der negativen Berichterstattung keine Interviews mehr geben, unterließ es Martina PREWEIN die Antragsteller mit den gegen sie erhobenen und zur Veröffentlichung gebrachten Anschuldigungen zu konfrontieren.

Die Antragsteller wurden infolge des inkriminierten „KURIER“-Artikels von Bekannten mehrmals darauf angesprochen und mußten sich diesen gegenüber rechtfertigen.

Die Antragsteller erteilten RA Dr. Rudolf GÜRTLER Vollmacht zur Durchsetzung der gegenständlichen medienrechtlichen Ansprüche, wobei die bei Gericht am 2.4.1996 eingebrachten Anträge der Antragsteller vom (damaligen) Konzipienten (nunmehr RA) Dris. Rudolf GÜRTLER, Mag. Erich REBASSO, unterfertigt wurden. Rechtsanwalt Dr. GÜRTLER hatte die Schriftsätze zuvor mit Mag. REBASSO abgesprochen und wurden die Schriftsätze mit seinem Wissen und Einverständnis deshalb vom Konzipienten unterfertigt, da Dr. GÜRTLER zu diesem Zeitpunkt nicht ortsanwesend war und die gesetzliche Antragsfrist sonst versäumt worden wäre (Beilage ./A zu ON 14).

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf den vorgelegten Urkunden sowie der Würdigung der Aussagen der vernommenen Zeugen.
Aus der unbedenklichen Eidestattlichen Erklärung von Rechtsanwalt Dr. Rudolf GÜRTLER vom 20.8.1996 (Beilage ./A zu ON 14) war abzuleiten, daß dieser jederzeit über sämtliche Verfahrenshandlungen seines Konzipienten Mag. Erich REBASSO informiert war und diese genehmigt hatte.

Die inkriminierte Behauptung, wonach die Besuchskontrolle mit tatkräftiger Unterstützung der Antragsteller umgangen worden sei, erwies sich als unwahr. Die glaubwürdigen Angaben des als Zeuge vernommenen Journalisten von „Bild am Sonntag“, Fred SELLIN, deckten sich in sämtlichen wesentlichen Punkten mit denen der Antragsteller sowie insbesonders auch denen des am 29.9.1995 dienstversehenden Sicherheitsbeamten von „group 4“, Dragan MITROVIC. Dieser bestätigte ausdrücklich, daß Prof. Dr. URBANEK als Leiter der Kinderklinik des AKH dem Journalisten und dem Fotografen den Zutritt bewilligt hatte, was er auch im Tagesprotokoll vom 29.9.1995 ausdrücklich vermerken ließ (Beilage ./II zu ON 21).

Das Gericht folgte sohin nicht der Aussage des Zeugen Univ.Prof. Dr. URBANEK, der zunächst in der Hauptverhandlung vom 20.8.1996 dezitiert angab, der Besuch des Fotografen sei weder mit seinem Wissen noch mit seinem Willen geschehen (Seite 10 in ON 14). Aufgrund der weiteren Verfahrensergebnisse neuerlich vernommen, schwächte Prof. Dr. URBANEK dies in der Hauptverhandlung vom 25.4.1997 schließlich dahingehend ab, daß er sich an so eine Vorgangsweise nicht erinnern könne, da an diesem Tag soviele Medienkontakte waren, daß er sich nicht im einzelnen daran erinnern könne (Seite 5 in ON 34).

Der als Zeuge vernommene Prof. Dr. Ernst HORCHER bestätigte die Angaben des Fred SELLIN dahingehend, daß er tatsächlich persönlich keine Bedenken gehabt habe, da Olivia nicht besonders infektgefährdet gewesen sei (Seite 5 in ON 32), und er zum Journalisten auch gesagt habe, „Das machen Sie sich dann mit Herrn Prof. URBANEK aus!“; er habe zwar nichts vom Inhalt des Gespräches zwischen dem Journalisten und Prof. URBANEK wahrnehmen können, habe aber nicht den Eindruck gehabt, daß sich Journalist und Fotograf heimlich oder gewaltsam Zugang verschaffen würden (Seite 8 in ON 32).

Wenngleich Prof. Dr. Reinhard KREPLER unter Hinweis auf seinen Erlaß vom 7.4.1995 (Beilage ./I zu ON 32) darauf verwies, daß eine Zustimmungserklärung ohne Rücksprache mit der Ärztlichen Direktion unzulässig gewesen wäre (Seite 18 in ON 32), führte er wenig später dazu aus, daß Prof. Dr. URBANEK „der richtige kompetente Mann“ gewesen sei und Prof. Dr. HORCHER richtig gehandelt habe, als er den Journalisten an diesen verwies (Seite 19 in ON 32).

Wäre die Fotoreportage vom 29.9.1995 tatsächlich ohne Wissen und Willen des Leiters der Kinderklinik Prof. Dr. URBANEK durchgeführt worden, so wären bei lebensnaher Betrachtungsweise wohl konkrete Nachforschungen mit anschließenden Konsequenzen für das Sicherheitsunternehmen „group-4“ sowohl durch Prof. Dr. URBANEK als auch durch den Ärztlichen Leiter Prof. Dr. KREPLER veranlaßt worden. Angesichts der medialen und öffentlichen Aufregung, die die Fotoreportage verursacht hatte, erscheint die Äußerung des Ärztlichen Direktors, Prof. Dr. KREPLER, er habe keine Nachforschungen angestellt, da es für das AKH „keinen Wert habe“, das nachzuforschen (Seite 21 in ON 32), nicht überzeugend. Dies ebensowenig wie die Aussage von Prof. Dr. URBANEK, wonach er damals eine Überprüfung nicht gemacht habe, da ja auch sein hätte können, daß der Sicherheitsbeamte vom Reporter bestochen worden sei und dies dem Einvernehmen mit den Eltern geschadet hätte (Seite 14 in ON 14).

Zu den Feststellungen zum angebotenen Beweis der Einhaltung der journalistischen Sorgfalt sei zunächst darauf verwiesen, daß Prof. Dr. URBANEK die inhaltliche Richtigkeit seines Zitates im „KURIER“ vom 3.10.1995 bestätigte (Seite 12 in ON 14).

Martina PREWEIN gestand jedoch zu, sie habe nicht versucht, eine Stellungnahme der Antragsteller einzuholen, weil sie damals nicht mit ihnen gesprochen hätten (Seite 18 in ON 14). Die Zeugin Ilse SCHMID, ebenfalls Journalistin des „KURIER“, ergänzte dies dahingehend, daß Ing. Helmut PILHAR zu ihr einmal gesagt habe: „Mit dem „KURIER“ reden wir nichts, der schreibt so schlecht über uns.“ (Seite 19 in ON 28).

Der Antragsteller Ing. Helmut PILHAR bestätigte, daß infolge der Berichterstattung des „KURIER“ seine Bereitschaft, sich dem KURIER für ein Interview zur Verfügung zu stellen, gelitten habe, er aber sicher geantwortet hätte, wenn er mit einem konkreten Vorwurf, wie dem gegenständlichen, konfrontiert worden wäre (Seiten 27, 28 in ON 28).

Daß die Antragsteller keine generell ablehnende Haltung gegenüber dem „KURIER“ hatten, geht auch daraus hervor, daß Erika PILHAR im Jänner oder Februar 1996 zweimal mit der Journalistin Ilse SCHMID sprach und Ing. Helmut PILHAR mit einem Bildkauf durch den „KURIER“ einverstanden war (Seite 30 in ON 28).

Rechtlich folgt daraus:

Der Einwand der Verfristung geht ins Leere, da die am 2.4.1996 bei Gericht eingebrachten Anträge der Antragsteller innerhalb der 6 Monatsfrist gestellt wurden. Den Schriftsätzen lag nicht nur eine Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. Rudolf GÜRTLER durch die Antragsteller zugrunde, sondern auch eine Weisung Dris. Rudolf GÜRTLER an seinen Konzipienten, die Anträge, wie abgesprochen, einzubringen und (für ihn) zu fertigen.

Die von den Antragstellern inkriminierte Artikelbehauptung, wonach sie unter fahrlässiger Umgehung der vom AKH angeordneten Kontrolle einen Fotografen zu ihrer Tochter gebracht hätten, erfüllt das Tatbild des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Absatz 1 und 2 StGB.

Im Hinblick auf das durchgeführte Beweisverfahren schlug der von der Antragsgegnerin angebotene Wahrheitsbeweis fehl.

Auch der Ausschlußgrund der Einhaltung der journalistischen Sorgfalt lag nicht vor, zumal es die Journalistin bei ihrer Recherche (bewußt) unterlassen hatte, die Antragsteller mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu konfrontieren. Die vom Antragsteller Ing. Helmut PILHAR geäußerte Ablehnung von Interviews gegenüber dem „KURIER“ war schon deshalb kein Freibrief für die Unterlassung sämtlicher im Sinne des Mediengesetzes gebotener Kontaktaufnahmen mit den Betroffenen, da dadurch keine generelle Ablehnung jeglicher Stellungnahme zum Ausdruck gebracht wurde.

Da sich die inkriminierte Behauptung doch als ziemlich gravierend darstellte, immerhin wurde den Antragstellern vorgeworfen, sie hätten die medizinisch gebotene Zutrittskontrolle zu ihrer Tochter umgehen geholfen und sie dadurch der Gesundheitsgefährdung ausgesetzt, erschien ein Entschädigungsbetrag in Höhe von je S 30.000,– angemessen.

Die übrigen Entscheidungen gründen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

Landesgericht für Strafsachen Wien
1032 Wien, Landesgerichtsstraße 11
am 25.04.1997

ARCHIV - 1997
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