Olivia Pilhar: Medienprozeß Pilhar ./. TV-Media
wegen „Randalieren“ – URTEIL
Aktenzeichen
31 E Vr 75/97
31 E Hv 1/97
REPUBLIK ÖSTERREICH
Landesgericht St. Pölten
Im Namen der Republik
Das Landesgericht St. Pölten hat durch den Einzelrichter Dr. Dietmar Krenn in der Medienrechtssache des Antragstellers Ing. Helmut Pilhar gegen die Antragsgegnerin TV-Media Verlagsges.m.b.H. wegen §§ 6, 33 und 34 Mediengesetz nach der am 23.5.1997 durchgeführten Hauptverhandlung am 23.5.1997 im Beisein der Schriftführerin VB Gertrude Schwab, des Antragstellers Ing. Helmut Pilhar, des Antragstellervertreters Mag. Erich Rebasso und des Antragsgegnervertreters Dr. Peter Zöchbauer zu Recht erkannt:
Wegen der Veröffentlichung eines Artikels auf Seite 15 der Ausgabe Nr. 48 vom 23. bis 29.11.1996 der Wochenzeitschrift „TV-Media“ mit der Überschrift „Olivias Eltern wollten den TV-Film verbieten“, in welchem behauptet wird, der Antragsteller habe im Krankenhaus Tullnrandaliert, durch die in einem Medium der objektive Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB hergestellt wurde, wird die Antragsgegnerin TV-Media Verlagsges.m.b.H. als Medieninhaberin der Zeitung „TV-Media“ zur Bezahlung eines Entschädigungsbetrages von S 20.000,– an den Antragsteller binnen 14 Tagen nach Rechtskraft dieses Urteiles bei sonstiger Exekution verurteilt.
Gemäß § 33 Abs. 2 Mediengesetz wird auf Einziehung der noch zur Verbreitung bestimmten Medienstücke der Ausgabe Nr. 48 vom 23. bis 29.11.1996 der Wochenzeitschrift „TV-Media“ erkannt.
Gemäß § 34 Abs. 3 Mediengesetz wird auf die Veröffentlichung dieses Urteiles in der Zeitung „TV-Media“ in der im § 13 vorgesehenen Form spätestens in der zweiten Nummer nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteiles mit nachstehendem Text erkannt:
Im Namen der Republik
Wegen der Veröffentlichung eines Artikels in der Ausgabe Nr. 48 der Zeitung „TV-Media“ vom 23. bis 29.11.1996 auf Seite 15 mit dem Titel „Olivias Eltern wollten den TV-Film verbieten“, in welchem dem Antragsteller Ing. Helmut Pilhar vorgeworfen wird, er habe im Krankenhaus Tulln randaliert, hat das Gericht die Medieninhaberin TV-Media Verlagsges.m.b.H. zur Bezahlung einer Entschädigung nach § 6 Mediengesetz verurteilt und auf Einziehung und Urteilsveröffentlichung erkannt.
Landesgericht St. Pölten, Abteilung 6, am 23.5.1997
Dr. Dietmar Krenn
4. Gemäß § 389 StPO in Verbindung mit §§ 8 a Abs. 1 und 41 Abs. 1 Mediengesetz hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Die am 20.1.1997 beim Landesgericht St. Pölten eingelangten Anträge des Antragstellers auf Durchführung des selbständigen Verfahrens, auf Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages und auf Urteilsveröffentlichung und Einziehung richten sich gegen einen Artikel in der Ausgabe Nr. 48 der Zeitschrift „TV-Media“ vom 23. bis 29. November 1996 mit dem Titel „Olivias Eltern wollten den TV-Film verbieten“. Konkret wird folgende Textpassage inkriminiert: „Die Szene wurde daraufhin von Zimper gestrichen, obwohl Helmut Pilhar nachweislich im Krankenhaus Tulln randaliert hatte.“
Der Antragsteller erachtet durch diese Berichterstattung den Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 111 Abs. 1 und Abs. 2 StGB als verwirklicht.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung dieser Anträge und wandte im wesentlichen ein, die inkriminierte Behauptung sei wahr, Ing. Helmut Pilhar habe tatsächlich ein Verhalten gesetzt, das nach Auffassung der Medienkonsumenten unter den Begriff „randalieren“ subsumiert werden könne.
Beweis wurde erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. Herbert Marady, Dr. Martin Zimper, Erika Pilhar, Dr. Hanns Vanura, Dr. Heinz Zimper und Ing. Helmut Pilhar sowie durch Verlesung des inkriminierten Artikels.
Nachfolgender Sachverhalt steht fest:
Ing. Helmut Pilhar und seine Gattin entschlossen sich im November 1996, ihr schwer erkranktes Kind Olivia ins Krankenhaus Tulln zu bringen, um es einerseits vom Medienrummel fernzuhalten, andererseits da sie sich erhofften, daß dort ihre Tochter nur jenen Behandlungen unterzogen würde, mit denen sie einverstanden seien. Beide Ehegatten waren der Meinung, Dr. Stangl werde die medizinische Leitung der Behandlung von Olivia im Krankenhaus Tulln übernehmen.
Olivia wurde an einem Dienstag ins Krankenhaus Tulln gebracht. Als Ing. Helmut Pilhar am Mittwoch ins Krankenhaus kam, mußte er zur Kenntnis nehmen, daß nicht Dr. Stangl, sondern Dr. Vanura die ärztliche Leitung innehatte. Als er auch bemerkte, daß seiner Tochter Infusionen verabreicht wurden, deren Inhalt er nicht kannte, war er sehr aufgeregt und stellte Dr. Vanura zur Rede. Dr. Vanura erklärte ihm, er hätte kein Mitspracherecht bei den Behandlungen seiner Tochter mehr. Der Antragsteller erkundigte sich daraufhin telefonisch bei Dr. Heinz Zimper, der ihm bestätigte, daß er kein Mitspracherecht mehr habe. Dr. Vanura ließ schließlich über Betreiben des Antragstellers vorübergehend die Infusionen von Olivia entfernen.
In einem Vieraugengespräch mit Dr. Heinz Zimper wurde Ing. Helmut Pilhar gefragt, was er bei einer Zwangstherapie machen würde. Er sagte, daß er ein Fenster einschlagen würde, um zu seinem Kind zu kommen und daß er sofort wieder versuchen würde, die Wegnahme der Infusionen zu veranlassen. Ob er damit gedroht hatte, im Falle der Zwangstherapie die Infusionen aus dem Körper seiner Tochter zu entfernen, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
Am Mittwoch Abend gab Ing. Helmut Pilhar dem Druck, unter dem er stand, nach und erteilte die Zustimmung zur Einleitung einer Chemotherapie an seiner Tochter Olivia.
Am nächsten Tag widerrief er diese Zustimmung wieder.
Am Donnerstag wurden sowohl seine Gattin als auch er einzeln vom Pflegschaftsrichter vernommen. Ing. Helmut Pilhar wollte bei diesen Vernehmungen die Anwesenheit seines Rechtsbeistandes erreichen. Als seine Gattin vernommen wurde, wollte er sich in das Zimmer, in dem sie vernommen wurde, begeben, um ihr zu empfehlen, ohne Rechtsbeistand nicht auszusagen. Um sich Gehör zu verschaffen, klopfte der Antragsteller laut an die Türe des Vernehmungszimmers und rief seiner Frau zu, sie solle nicht aussagen. Er wurde sofort von einem Polizisten abgedrängt, wogegen er sich aber nicht wehrte. Er erhob die Hände nicht gegen den Polizisten.
Seitens der Pflegschaftsbehörde wurden erhebliche Sicherungsmaßnahmen eingeleitet, da befürchtet wurde, daß einerseits Ing. Helmut Pilhar in die Behandlung seiner Tochter eingreifen könnte, andererseits wurden auch Ausschreitungen von Hamer-Schülern befürchtet.
Alle beteiligten Personen waren in dieser Situation sehr erregt, angespannt und bis auf das äußerte Limit belastet.
Ing. Pilhar war zwar während seiner Aufenthalte im Krankenhaus Tulln sehr erregt und angespannt, verhielt sich aber im wesentlichen immer korrekt. Seine Aufregung dokumentierte sich darin, daß er angespannt war, schnell gegangen ist, schnell gesprochen hat und in seiner Auswahl der Worte nicht zimperlich war. Der Antragsteller war jedoch weder aggressiv noch gegen andere Personen in irgendeiner Form tätlich. Er hat auch nicht mit Gegenständen herumgeworfen und auch nicht gedroht, mit Gegenständen um sich zu werfen.
Da der Antragsteller mit der Behandlung seiner Tochter nicht einverstanden war, wies er seine Gattin an, sie möge vor das Krankenhaus gehen und dort lauthals schreien, daß hier ihr Kind umgebracht werde. Er drohte auch, allen Patienten von den Geschehnissen Mitteilung zu machen.
Der Antragsteller hat nie gewaltsam in die Behandlung seiner Tochter eingegriffen; auch „Hamer-Jünger“ haben dies nicht getan.
Verhaltensweisen, die unter den Begriff „randalieren“ zu subsumieren sind, wurden vom Antragsteller während seiner Anwesenheiten im Krankenhaus Tulln nicht getätigt.
Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:
Dr. Hanns Vanura, damals Leiter der Kinderabteilung des Krankenhauses Tulln, schilderte den Antragsteller zwar als angespannt und aufgeregt, er sagte jedoch aus, der Antragsteller sei nie aggressiv gegen ihn oder andere Personen gewesen und habe auch nicht mit Gegenständen herumgeworfen, er drohte nicht einmal mit Aggressionen gegen andere Personen. Er legt dar, daß er kein Verhalten des Antragstellers feststellen konnte, das unter dem Begriff „randalieren“ fallen würde.
Dr. Heinz Zimper schilderte das Verhalten von Ing. Helmut Pilhar als äußerst besorgt, phasenweise sehr erregt, manchmal freundlich und kommunikativ, dann wiederum fanatisch.
Als er befragt wurde, welche Verhaltensweisen der Antragsteller gesetzt habe, die er dem Wort „randalieren“ unterstellen würde, so schilderte er lediglich einen einzigen Vorfall, bei welchem er den Antragsteller als an eine Türe trommelnd schilderte. Bei näherer Befragung legte er dar, es habe sich um kein höfliches Anklopfen gehandelt, sei mit der Aufforderung an seine Gattin verbunden gewesen, nicht auszusagen und habe den Sinn gehabt, daß sich der Antragsteller Gehör verschaffen wollte. Sicherlich habe der Antragsteller aber nicht die Türe demolieren oder mit Gewalt eindringen wollen. Dieser Vorfall des „an die Türe trommelns“ wurde sohin relativiert, das Gericht folgte den Angaben von Ing. Helmut Pilhar, der sagte, er habe zwar stark geklopft, um sich Gehör zu verschaffen, habe aber nicht mit den Fäusten an die Tür getrommelt.
Die Ehegattin des Antragstellers, Erika Pilhar, schilderte ihren Gatten zwar erregt, er habe aber sachliche Gespräche über die Verhinderung von Behandlungen an seiner Tochter geführt. Sie meinte, seine Verhaltensweisen könnten nicht dem Wort „randalieren“ unterstellt werden. Er habe weder jemand anderen tätlich attackiert, mit tätlichen Attacken gedroht, mit Gegenständen geworfen oder mit dem Werfen von Gegenständen gedroht.
Dr. Martin Zimper konnte nicht angeben, ob der Antragsteller tatsächlich ein randalierendes Verhalten gesetzt habe, nach seiner Information hat der Antragsteller aber weder Sachen beschädigt, noch mit Sachen herumgeworfen oder andere Personen tätlich attackiert. Er vermutete lediglich, daß der Antragsteller wohl andere Leute verbal attackiert habe. Er relativierte seine Angaben auf Seite 6 Mitte des Protokolls vom 27.11.1996 im Akt 31 E Vr 796/96, in welchen er Ing. Helmut Pilhar als randalierend bezeichnet hatte, dahingehend, daß er damals gemeint hatte, der Antragsteller habe sich aufgeregt, getobt und Drohungen ausgestoßen.
Dr. Herbert Marady gab an, weder der Antragsteller noch „Hamer-Jünger“ haben gewaltsam in die Behandlung von Olivia eingegriffen. Er zitierte lediglich Auszüge aus Aktenvermerken von Dr. Heinz Zimper, hatte aber im übrigen keine persönlichen Wahrnehmungen zu den Geschehnissen in Tulln.
Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:
Wird in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, der Beschimpfung, der Verspottung oder der Verleumdung hergestellt, so hat der Betroffene gegen den Medieninhaber gemäß § 6 Mediengesetz Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene Kränkung.
Im vorliegenden Fall wurde dem Antragsteller der Vorwurf eines randalierenden Verhaltens im Krankenhaus Tulln gemacht. Maßgeblich für die Ermittlung des Bedeutungsinhaltes ist die Auffassung des durchschnittlichen interessierten Lesers und Medienkonsumenten.
Jene Leser, an die sich der Artikel nach seiner Aufmachung, Schreibeweise und seinem Thema wendet, verstehen den Begriff „randalieren“ nach der Ansicht des gefertigten Gerichtes als ein Verhalten, bei welchem jemand vorsätzliche Beschädigungen von Sachen vornimmt, sich sonst in ungebührlicher Weise ungestüm benimmt, tätlich aggressiv gegen andere Personen wird oder verbal in besonders unangenehmer Weise ausfällig wird.
Ein solches Verhalten des Antragstellers hat das Beweisverfahren allerdings nicht ergeben. Ein lautstarkes, ungehobeltes, tätlich attackierendes oder in ungebührlicher Weise ungestümes Benehmen wurde vom Antragsteller nämlich nicht an den Tag gelegt. Er hat sich vielmehr, wie sich dies aus allen Zeugenaussagen ergibt, korrekt verhalten, er hat in der nervlich sehr angespannten und erregten Situation das Ausmaß des Tolerierbaren nicht überschritten. Gerade ein solches Überschreiten des tolerierbaren Maßes wäre aber notwendig gewesen, um es dem Wort „randalieren“ unterstellen zu können.
Das gefertigte Gericht erachtet die Bezeichnung des Antragstellers als „randalierend“ als ehrenrührig im Sinne des §111 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. Es wird dem Antragsteller nämlich ein unehrenhaftes Verhalten vorgeworfen, jedenfalls aber ein gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.
Da sohin aber der objektive Tatbestand der üblen Nachrede verwirklicht ist, hat der Antragsteller gemäß § 6 Mediengesetz Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene Kränkung. Unter Berücksichtigung der hohen Auflagezahl und des Medieninteresses an dieser Berichterstattung im Zusammenhang mit dem tatsächlich sehr erregten Verhalten des Antragstellers erachtet das gefertigte Gericht eine Entschädigung im Ausmaß von S 20.000,- als angemessen.
Die erlittene Kränkung erscheint nicht besonders gravierend, sodaß mit 10 % der höchstmöglichen Entschädigungssumme das Auslangen gefunden werden konnte.
Da die Voraussetzungen der §§ 33 Abs. 2 und 34 Abs. 3 Mediengesetz erfüllt wurden, war auch auf Einziehung der noch zur Verbreitung bestimmten Medienstücke und auf Veröffentlichung des Urteiles zu erkennen; eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse des Strafverfahrens erschien für die Information der Medienkonsumenten ausreichend.
Die Kostenentscheidung beruht auf den zitierten Gesetzesstellen.
Landesgericht St. Pölten,
Abteilung 6, am 23.05.1997