Brustkrebs - können Therapien schaden?

rbb - Rundfunk Berlin-Brandenburg, 29.02.2012

Brustkrebs eine Diagnose, die Angst macht. Erst die OP, bei der häufig auch die Lymphknoten entfernt werden, dann die Chemo-, Strahlen- oder Hormontherapie. Zahlreiche Nebenwirkungen und Spätschäden können die Folge der Chemotherapie sein. Doch muss das alles wirklich sein? Neueste Forschungsergebnisse zeigen: Rund 10.000 Frauen jährlich könnte eine Chemotherapie erspart bleiben.

In Deutschland ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jedes Jahr wird er bei rund 72.000 Frauen diagnostiziert, die meisten von ihnen sind zwischen 45 und 65 Jahren alt. Frühsymptome gibt es nicht. Den ersten Verdacht löst meist ein ertasteter Knoten aus, in seltenen Fällen blutet die Brustwarze oder fällt in sich zusammen.

Die gute Nachricht: Die Heilungschancen haben sich signifikant verbessert, beispielsweise durch Früherkennung dank Mammographie-Screening, bessere Aufklärung zur Selbstuntersuchung und durch gezieltere Chemotherapie. Und auch die Art und Weise, wie die erkrankten Frauen operiert werden, hat sich verändert. Vor etwa 40 Jahren wurde noch die gesamte Brust entfernt, mitsamt der darunter liegenden Muskulatur einschließlich der Lymphknoten in der Achselhöhle. Heute wird in den meisten Fällen nur noch der Tumor selbst entfernt.

Neben der brusterhaltenden Therapie findet mittlerweile auch in Sachen Lymphknoten ein Umdenken statt. Bereits Anfang 2003 legten erste Studienergebnisse nahe, dass die betroffenen Frauen keine Nachteile davon haben, wenn man ihnen die radikale Entnahme der Lymphknoten in der Achselhöhle erspart. Aktuelle Studien aus den USA bestätigen diese Daten. Viele Onkologen sprechen sich nun dafür aus, in der Achselhöhle zukünftig so wenig wie möglich Lymphgewebe zu entfernen, da etwa die Hälfte aller radikal operierten Frauen nach dem Eingriff an einem Lymphödem des Armes leidet. Diese Schwellung führt zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Lymphdrainagen und entsprechende Kompressionsverbände lindern die Beschwerden meist nur unzureichend.

Wichtige Voraussetzungen für den Verzicht auf die radikale Achsel-OP:

  • Der Tumor darf nur einen Durchmesser von maximal 2 Zentimeter haben.
  • Die Achsel-Lymphknoten dürfen nicht vergrößert sein.
  • Krebszellen dürfen nur in maximal 2 Lymphknoten nachweisbar sein.

Unabhängig vom Ausmaß der Lymphknotenoperation wird wie bisher entsprechend des individuellen Krebsbefundes in der Brust eine Chemotherapie und eine Bestrahlung ergänzt.

Viele Patientinnen müssen nach der Operation nachbehandelt werden. Das gilt uneingeschränkt für Frauen, die jünger als 35 Jahre sind oder bei denen der Tumor bereits Krebszellen in die Lymphknoten oder anderes Gewebe abgesetzt hat, so dass sich Tochtergeschwülste gebildet haben. Welche Therapie sich dafür am besten eignet, ist oft unklar. Generell gilt die Empfehlung, dass erkrankte Frauen sich in speziellen Brust-Zentren behandeln lassen sollte. Studien haben gezeigt, dass in diesen Zentren Diagnostik und Therapie eher dem heutigen Wissensstand entsprechen als in Kliniken ohne entsprechenden Schwerpunkt. Dennoch entscheiden auch hier die behandelnden Ärzte nicht selten noch immer aus dem Bauch heraus, wenn es um die Frage geht, wer eine Chemotherapie bekommt und wer nicht.

Bei höchstens 15 Prozent lohnt sich die Chemo

Eine Chemotherapie belastet den Körper und die Patientinnen enorm. Auch die Prognose der Erkrankung wird nicht unbedingt günstig beeinflusst. Schätzungen zufolge profitieren von 100 Patientinnen mit einem niedrigen Risiko (die also älter als 35 sind und bei denen keine Metastasen nachgewiesen wurden oder Lymphknoten befallen sind) höchstens 15 von der Chemotherapie. Viele der anderen leiden also unnötige Qualen. Bei den meisten Patientinnen reicht es also, wenn der Tumor entfernt wird und sie anschließend eine Strahlen- oder Hormontherapie erhalten.

Problematisch ist: Kein Arzt weiß vorher, welcher Tumor bösartig ist, also im Körper streut und Metastasen bildet. Denn Tumorzellen haben die Eigenschaft, schnell zu wachsen, sich zu vermehren und in andere Gewebe zu streuen. Bei Patientinnen mit solch einem Tumor ist die Chemotherapie lebenswichtig, da sie die schnell wachsenden Zellen vernichten kann.

Bei Betroffenen, deren Lymphknoten nicht vom Krebs befallen sind (und die deshalb nicht per se eine Chemo bekommen, das sind immerhin mindestens mehr als die Hälfte), fehlten den behandelnden Ärzten bislang Kriterien, um sich für oder gegen eine Chemo zu entscheiden. Jede Information, die sie das besser abschätzen lässt, könnte sie bei der richtigen Entscheidung unterstützen. Auch den Patientinnen gäbe es ein sicheres Gefühl, wenn Ärzte klarer sagen können, ob eine Chemotherapie sinnvoll ist oder nicht.

Dem Tumor auf den Grund gehen

Deshalb fahnden Wissenschaftler weltweit nach Möglichkeiten, um Tumoren nach ihrer Bösartigkeit unterscheiden zu können. Tumor- oder molekularbiologische Untersuchungen können helfen, die Bösartigkeit des Tumors und damit die Behandlungsaussichten für die Patientin einzuschätzen. Zudem geben sie wertvolle Hinweise, wie ein Tumor zielgerichtet bekämpft werden kann und welche Therapien besonders gut anschlagen könnten. Sie werden an Material vorgenommen, das bei der Biopsie oder der Tumorenentfernung entnommen wird.

Ein solcher Test ist zum Beispiel der uPA/PAI-1-Test. In frisch entnommenem und schockgefrorenen Tumorgewebe fahndet der Test nach den Eiweißen uPA (Urokinase-Typ Plasminogen Aktivator) und dessen Gegenspieler PAI-1. Zunächst wurde die Aussagekraft des Tests in umfangreichen Testreihen im Rahmen einer Studie getestet. Die Ergebnisse sprechen für seine Anwendung: Je höher die Konzentration der Moleküle, desto gefährlicher ist der Tumor. Denn die beiden getesteten Enzyme helfen den Krebszellen, sich aus dem Tumor zu lösen und Metastasen zu bilden. Messen Ärzte demnach hohe Werte dieser Proteine, gehen die Wissenschaftler von einer starken Aggressivität des Tumors aus. Studien belegen, dass Patientinnen im Frühstadium und ohne befallene Lymphknoten ein niedrigeres Rückfallrisiko haben, wenn sie niedrige uPA/PAI-1-Werte haben. Diesen Patientinnen kann man also eine Chemotherapie ersparen.

Ein Test, den nicht alle Kassen zahlen

Befürworter halten den uPA/PAI-1-Test für aussagefähiger als alle bisher bekannten Tumormerkmale. Er erlaube eine sichere Prognose und könnte jährlich bei etwa 26.000 Brustkrebspatientinnen eine wichtige Entscheidungshilfe sein. Die Kosten von circa 200 Euro tragen einige Krankenkassen, andere nicht. Doch er ist nicht der einzige auf dem Markt: Neben dem Biomarkertest versprechen mittlerweile mehrere Gen-Tests wie zum Beispiel MammaPrint, EndoPredict und OncoType DX, mit großer Sicherheit bösartige von weniger bösartigen Tumoren zu unterscheiden.

Fazit: Die Entwicklungen zeigen, dass der Trend zu personalisierten Krebsmedizin hin seit Jahren ungebrochen ist. Die Tests werden daher mit Sicherheit zukünftigen ihren Platz finden.

Brustkrebszentren

Generell gilt die Empfehlung, dass erkrankte Frauen sich in speziellen Brust-Zentren behandeln lassen sollten. Studien haben gezeigt, dass in diesen Zentren meist sowohl die Diagnostik als auch die Therapie eher dem heutigen Wissensstand entsprechen als in kleineren Kliniken.

Das Problem: Der Begriff Brustzentrum ist nicht geschützt. Orientierung will die Deutsche Krebsgesellschaft mit dem Begriff „Zertifiziertes Brustzentrum“ geben. Dieses Qualitätssiegel, das u.a. die Richtlinien der „European Society of Mastology“ (EUSOMA) mit einbezieht, wird nur unter bestimmten Bedingungen vergeben.

Das Zentrum muss dafür ein anerkanntes Qualitätsmanagement betreiben und auf der Grundlage international anerkannter Richtlinien (z.B. ISO DIN 9001) arbeiten, was jährlich geprüft wird. Eine umfassende Checkliste mit den Anforderungen findet man u.a. im Internet. Alle Zentren werden jährlich überwacht, alle drei Jahre verliert das Zertifikat seine Gültigkeit und muss neu erworben werden.

Film: Pia Busch
Infotext: Beate Wagner

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